Marijana Stoisits
Tonbandprotokoll des Gesprächs mit Michael Pilz am 20. Nov. 1984 in Wien 18., Teschnergasse 37
Diese Abschrift entspricht dem Original von Marijana Stoisits, einschließlich der Fehler und der alten Rechtschreibung.
Eckige Klammern zeigen spätere Einfügungen, zur besseren Verständlichkeit.
S: Kann man die Musik ein bissl leiser stellen, sonst haben wir es nicht gut drauf.
P: Ja
S: Ich möchte noch mal gerne von dir wissen, weil ich ja leider Gottes das letzte Mal das Gerät nicht mitgehabt habe und das natürlich wieder verschwindet, wie du dazu gekommen bist, über Bergbauern etwas zu machen. Also jetzt im speziellen über Bergbauern.
P: Gut. Da gibt’s, sozusagen, rationale Gründe und dazu zählen z. B. die, daß ich mir früher gedacht hab’ oft, es würde mich interessieren, weiß ich ... Es gab einen Grund, ein konkreteres Projekt zu den Sioux-Indianern nach Utah zu fahren und dort zu drehen. Weil ich kannte einpaar, die einmal in Wien waren, und Ähnliches. Ausgehend von den Sachen, die ich aus dem Kino kenne von Rouch oder von Marker. Oder von so Leuten, die aus dem anthropologischen Kino herkommen. Und dann gab’s einmal vor, das war, weiß ich, schon Mitte der 70er Jahre, Gespräche mit einem guten Freund, einem Maler in Wien, immer wieder darum kreisend, daß wir gesagt haben: Wir versuchen das, was z. B. so in der Form der Platitüde produziert wird und vor allem über die Fernsehsender geht, äh, in Neuguinea, oder am Amazonas oder so[nst wo] man müßte das umkehren und sozusagen ein Tiroler Dorf so explorieren. Und besuchen. Und mit dieser Optik mit der man die, die Indianer in Neu Guinea beobachtet, die Tiroler Bauern in Nauders beobachten, na! Das war auch so eine Geschichte. Und dann hab’ i im Stern, irgendwann im Winter 2 ... äh, 78 eine Reportage gefunden, über ein Südtiroler Tal, in dem Bergbauernhöfe liegen, aber über 2000m, 2400m. Also völlig extrem. Und das waren sehr schöne Schwarz-Weiß-Fotos, die von der Struktur her, ja, auch etwas hatten, was mich interessiert hat. Und, da hab’ ich mir gedacht, das wäre ein Sujet, ja. Ah, dann ist das sozusagen abgetaucht und ich hab’ mich mit anderen Sachen beschäftigen müssen. Und hatte dann irgendwie das Gefühl, das wäre ein Projekt – Bauern in den Bergen. Dann hab ich mir natürlich gedacht, warum? Warum fällt mir z. B. diese Reportage im Stern ein? Warum gerade Gebirgsbergbauern, warum die Berge? Und so. Und, wie gesagt, nebst allen unbewussten oder immer noch unbewussten geliehenen Anteilen der Wahl dieses Sujets gab’s sozusagen bewußtere, die z. B. so beschrieben werden könnten, daß mich interessiert hat, in eine Zone einzutreten, die eigentlich innerhalb der für mich erreichbaren Regionen liegt. D. h. innerhalb Österreichs. Und wenn man extreme Situationen in Österreich sucht, dann hat man eh nur die Wahl in die Berge zu gehen. Weil im Flachland ist alles verbaut. Und dazu kam, daß mich die, sagen wir, die soziale, die wirtschaftliche, die gefühlsmäßige Situation, die kulturelle, die historische Situation der Bauern interessiert hat. Und das schon lange, weil es mir eine Möglichkeit eröffnet hat, die zumindest in Gedanken, [über] etwas zu arbeiten, was mir sonst nicht möglich gewesen wäre. Im dokumentarischen Sinn. Und zwar, daß z. B. das Übertreten von einer historischen Situation in einer andere, die, sozusagen Verlust bedeutet. Verlust von Werten, die [in] der einen Situation wirklich sein konnten und in der anderen, in der neuen Situation, nicht mehr wirklich sein können. Das ist genau die Situation von Gebirgsbauern, die [einfach] vor der Tatsache stehen, daß sie von, z. B. von den Marktpreisen, die ja weltweit gemacht werden, und von jenen bestimmt werden, die sehr rationell produzieren können, gezwungen werden, zu den gleichen Preisen zu verkaufen. D. h., daß sie eigentlich, ökonomisch gesehen, ihren geschöpften Mehrwert nie erhalten. Das ist ein interessantes Phänomen, weil man sich ja sofort dazu fragen kann, wie lang geht sich das aus? Wielange kann ein Mensch etwas produzieren, wenn er das, was er produziert und veräußert, nicht zurückerhält, ja, in er Beantwortung dieses Produkts. Und das ist z. B., ich komme darauf dann noch zu sprechen, weil das in der Arbeit selber dann eine interessante sehr, einen sehr auffälligen Vergleich ermöglicht hat, zum – also das Phänomen des Drinnen und des Draußen-und Drinnen, ja, die Entsprechung von ökonomischer Vorgänge außen und ökonomisches Vorgängen im Menschen. Also das Gefühlsleben. Und dann, war sicher auch die Frage, z. B. der Autoritäten, die sozusagen in unseren Breiten, in den Städten spätestens seit den 60er Jahren, ja viel diskutiert worden sind, und, ja, bis hin zu einem völligen Verlust dessen, was man früher als Autorität bezeichnet hat. Und einem Wiedergewinn oder einer Wiederhinwendung, zu dem, was man als Autorität bezeichnet, [in der Erziehung z. B.]. Oder überhaupt im Umgang mit sich selbst, mit Menschen und mit der Welt. Und das ist ja etwas, was gerade in eher archaischen Gesellschaften noch sehr stark vorherrscht. Ein ausgeprägtes, autoritäres Gefälle in der Familie, im Dorf, in der Gruppe, in der Sippe, in der Gemeinde u.s.w. Und das ist sicher auch etwas, was also mich besonders auch interessiert hat, wegen mir selber. Weil das so eine Geschichte ist, die also sicher mein Leben bißcher sehr stark gezeichnet hat, die Frage nach ‘Reale Autoritäten’, ‘Fiktive Autoritäten’, wie geht man mit Autoritäten um, wie kann man sich [sozusagen] selber zur Autorität machen? Oder wie weit ist es notwendig, wie weit ist es sinnvoll, wie weit ist es falsch gehandelt, oder wie weit gibt es falsche Autoritäten, wie weit sitzt man sozusagen auch falschen Vorstellungen von Autorität auf? Und ist dadurch in bestimmte Richtung[en] gedrängt zu handeln oder nicht zu handeln. Also dieser ganze Komplex von autoritären Verhältnissen. Dann gab es einen simplen Grund, ja, daß ich also seit Jahren in der Stadt lebe, in Wien lebe, zwar immer wieder mit Ausbrüchen, und Ausflüchten und Weg-Läufen, aber die Gelegenheit wahrnehmen wollte, wie so viele Filmemacher, wie der John Ford in Amerika immer gesagt hat oder andere auch die liebend gerne Western gemacht haben, weil sie gewußt haben, daß sie ein halbes Jahr oder ein Jahr am Land leben können. Und nicht in irgendeinem Studio oder sonst wo. Zu dem, daß Berge eine gewisse Faszination ausüben, immer schon ausgeübt haben, sowohl im Sinne von Schrecknis, als auch im Sinne von Sehnsucht. Sie zu besteigen oder was immer man da halt an Bildern oder an Gefühlen bemerken kann. Dazu, aber das ist dann eigentlich schon erst in der Phase der Realisierung aufgefallen, hat das ziemlich viel zu tun mit, was ich jetzt [nur] kurz umschreiben möchte mit ‘des Suchen und des Wartens’, wobei da immer die Gefahr besteht, wenn man von Warten spricht, (so) im Sinne von Corot, der gesagt hat man darf nicht suchen, man muß warten – daß das missverstanden wird, im Sinne von man darf nur im Sessel sitzen und warten was wird. Ja, also das Missverständnis hatte ich anfänglich auch, das hat sich aber sehr sehr rasch revidiert im Zusammentreffen mit den Leuten. Wo ich z. B. einmal erlebt habe, wie eine Bäuerin in der Küche in einem Holzhaus, in einem Hof, der komplett aus Holz gebaut war – draußen lag frischer Schnee, Sonne war, ganz still war es draußen, der Herd hat geknistert. Und ich war mit dem Georg, mit dem Tonmeister drinnen, wir haben sie zum ersten mal besucht. Und ich wußte, daß sie einem Sohn hatte, der ein Jahr zuvor sich vorm Hof erschossen hat, mit dem Gewehr durch den Kopf geschossen hat nach dem Kirchenbesuch. Bevor die ins Haus gegangen sind, wegen einer Lappalie, weil mit dem Auto vom Vater irgendeinen Schaden verursacht hat, weiß ich ... von einpaar tausend Schilling. Keine Möglichkeit gesehen hat, das verbal irgendwie zu erledigen. Das wusste ich, und ich habe in irgendeinem Gespräch sie gefragt, während sie am Herd stand und so Buchscheiteln sich in dem Bauch geklemmt hat und mit einem Risenmesser feine Späne abgezogen hat. Immer das Messer, das riesige, spitzige Messer zum Bauch gezogen hat. Und in dieser Tatsache und da ist sie eigentlich gar nicht so eingegangen darauf und ich hatte das Gefühl, daß das irgendwo von ihr verdrängt ist, daß sie darüber nicht nachdenken möchte. Daß sie da eher so eine, so eine schicksalshafte Haltung eingenommen hat, die sich dann so ausgedrückt hat, daß sie gesagt hat : Wenn er kummt dann mußt dich herrichten, dann ist es soweit. Also, so vordergründig verstanden, wie ich es damals verstanden habe: naja die Frau macht es sich aber leicht. Später, Jahre später, habe ich eigentlich diese Haltung ganz anders zu verstehen begonnen. Weil es ein, und das ist auch etwas was mich daran besonders interessiert hat, und was auch leicht mißverstanden werden kann, das ist das sogenannte ‘Religiöse Gefühl’. Etwas, was in der Kunst besonders, wenn es auftritt, auffällt, selten genug auftritt. Und das ist also etwas, was wir dort in bestimmten Maße häufig und besonders auffällig getroffen habe. Und ich glaube, das hat damit zu tun, an der, Menschen nämlich, ich glaube, es hat, damit zu tun, daß sie eigentlich wie, vereinzelt wie, wie, wie kleine Engerln leben. Ja. Also wenn, man sich beschäftigt z. B. mit dem, was die Überlieferung von Engeln erzählt, was es da auch an apokalyptischen Geschichten gibt, von Johannes angefangen bis zu einem Indianer, der, im 17er oder im 13er Jahr dieses Jahrhunderts eine quasi, ‘apokalyptische Schau’ hatte oder eine indische Avatare, wie es sie einige wenige gegeben hat und noch immer gibt, die sozusagen, den Blick ins Jenseits geworfen haben und vom Jenseits auf sich selbst und auf die irdischen Verhältnisse sehen konnten und da also die wahnsinnigsten Dingen gesehen haben. Und dieses Gefühl hatte ich daoben häufig. Besonders mit jenen, die sozusagen sozial an den Rand gestellt waren. Und die sich von ihrer Stellung in der Gemeinde als, eigentlich im derzeitig vorherrschenden Sinne, der ökonomischen Zugehörigkeit, nicht zugehörig fühlen mußten. Weil das, was sie produzieren, ist unnötig, ist Möglichkeit irgendwo Geld dazu zu verdienen, aber das ist auch schon alles und daneben lieben sie ihre Tiere, und sagen das ist ihr Alles, gehen sie auf den Bergen spazieren, machen ihre Arbeit, so wie es ihnen taugt, auch so wie es ihnen notwendig erscheint. Und sagen auch gleichzeitig wenn wir heute einmal nichts machen, dann machen wir morgen halt doppelt soviel. Das war also schon im Ansatz bevor ich da hinkam. Und bevor ich konkret in St. Anna oder in Obdach tätig geworden bin, ein Gefühl, das natürlich in mir angelegt war, mich dorthin zu bewegen, wo ich etwas von dieser Art religiösem Gefühl, jenseits der materiellen Verhältnisse und jenseits der sozusagen tödlichen Verhältnisse treffen konnte und treffen wollte. Also etwas zu machen, was mehr mit dem Licht zu tun hat, als mit dem Gegenstand, auf den das Licht fällt. Wobei der Widerspruch ja nur zu lösen ist, wenn man sich sozusagen des Gegenstands annimmt, auf den das Licht fällt.
S: Also war anfangs schon ein bissl Exotik dabei?
P: Ja, ja.
S: Aber das hat sich dann verändert im Laufe der Arbeit?
P: [Ja], Es konnte in meinem Verständnis der Verhältnisse damals heute gar nicht anders sein, als daß es über diese Exotik gegangen ist. Weil, es hat einfach damit zu tun, daß ich ja sozusagen ein Städter bin. Und der einzige Weg, sozusagen mich selbst zu erkennen, während ich in der Stadt lebe ist sozusagen hinaus zugehen und mich von draußen in der Stadt lebend zu betrachten. Also gehe ich auf den Berg und schaue vom Berg herunter. Ich schaue mich gleichzeitig natürlich an, während ich auf den Berg gehe. Indem ich auf den Berg gehe, erkenne ich mich auch in der Stadt – so irgendwie. Nur, ist dann sehr rasch abgefallen dieses Gefühl, der Berg sei die exotische, die andere, mir rätselhafte Welt. Es hat sich rasch herausgestellt, dass sie eigentlich meine eigentliche Welt war oder ist. Und das die entfremdete Welt das entfremdete Leben eigentlich hier in der Stadt stattfindet. Wo ich das Gefühl habe, daß einfach vieles von dem oder das Meiste von dem, womit ich zutun habe, was ich handle, nicht von mir her bestimmt ist, sondern es ist – ja, diese Häuser, diese Fassaden, die sind unveränderbar. Die bröckeln ab, aber sie sind eigentlich unveränderbar. Wir können nur darin leben. Wir spüren es irgendwie, daß das auch Geschichten sind, die von früher auf uns einwirken. Und g’freten uns sozusagen damit zurecht. Da draußen in den Bergen, da brauche ich gar nichts, da habe ich also konkret ein Auto gehabt, da habe ich drinnen schlafen können, da habe ich Schlafsäcke gehabt, da habe ich irgendwo im Stroh schlafen können. Da habe ich gesehen wie die Leute leben, die haben auch quasi Häuser, aber diese Häuser sind ja nichts anderes wie Zelte. Sie tun das, was die Natur von ihnen fordert, und nichts anderes hat mich also immer interessiert. So wie ich als Kind immer schon am liebsten im Regen gelaufen bin, und geschaut habe, was man eigentlich da machen kann, damit man überlebt. Und alle diese Behausungen, das ist für mich sozusagen eine rationalisierte, vom wirklichen Leben abgehobene, entfremdete und damit in gewissem Sinne auch verdrängte Welt.
S: Also kann man sagen, – das ist eine Überlegung die auch schon angestellt habe – ,daß die Bauern, die oben am Berg, wohnen, daß die mehr oder weniger mit dem, was sie umgibt, daß sie irgendwie ständig im [aktiven] Austausch damit sich befinden, eben mit der Landschaft. Denn wenn sie am Feld arbeiten, dann bebauen sie ja mehr oder weniger den Boden selber und so wie die Landschaft aussieht, daß ist deren aktives Produkt, mehr oder weniger.
P: Richtig, ja.
S: Was ja hier bei uns in der Stadt nicht mehr der Fall ist.
P: Nicht mehr der Fall ist, ja, richtig. Weil, da hat man diese tausendfachen Probleme mit den Gemeinden oder mit den Gemeindevertretern oder mit den Volksvertretern in den Gremien halt, das da einmal etwas passiert im Sinne des Volkes oder des einzelnen ist ja fast nicht möglich. Weil das geht nicht in der Struktur. Dazu gibt es nicht einmal die einfachsten [zwischen-]menschlichen Mittel um das zu erzeugen. Wir können uns also im äußersten Fall privat irgendwo etwas herrichten, so wie wir wollen, einen Schrebergarten bauen, z. B. Aber die größeren Strukturen, die Verkehrswege oder die Beplanzungen oder die Architektur, das sind die Fachtrotteln, die sozusagen bestimmt oder gewählt werden vom Volk. Erlaubt werden. Das gibt es ja daoben nicht, da ist jeder sozusagen sein eigener Fachtrottel. Wenn er der Trottel ist, fällt es über dem Kopf zusammen. Was keinem einzigen da oben passiert.
S: Jetzt nochmal dazu zurück – wie bist du nun ganz konkret auf St. Anna gekommen?
P: Ich habe das in gewisser Hinsicht den Zufall überlassen. Wobei ich damals schon ziemlich bewußt mit diesem Zufall spielen wollte, um drauf zukommen, wo führt es mich eigentlich hin. Und die Voraussetzung war natürlich ein gewisses finanzielles ‘backing’ durch diese Filmförderung, von 1,9 Mil. Schilling, wo führt es mich hin, wenn ich mich treiben lasse? Wenn ich mich in ein Auto setze und das war ein altes Auto, und einfach mal nach Tirol fahre, wo ich einen gut befreundeten Architekten kannte, der auch Raum-Planung betrieben hat und in Gemeinderäten gesessen ist als Berater. Im Sinne von emanzipatorischen Bestrebungen; dort als Architekt und Berater tätig war. Der hat mir viel erzählt über die Verhältnisse im oberen Inntal, bis Nauders. Und ich habe mir das mal angesehen. Und dann war ich auf der Silvretta oben und bin 2 x nach Zürich gefahren zu Freunden, zum, Murer und zu anderen. Weil ich das in den Bergen irgendwie nicht ausgehalten habe. Es war zwar Sommer, aber es hat auch geschneit und geregnet. Ich habe einfach so diese Fassaden an mir vorbeiziehen lassen, habe mit Leuten geredet, mit irgendwelchen Leuten geredet. In der Stadt, bei den Bauern oder so, habe mir das angschaut, bin vorbeigefahren, bin etwas zugefahren, bin weggefahren, bin geflüchtet, habe was gesucht. Und ich habe Zeit gehabt. Und von diesem Tirol ging es langsam dann über Salzburg in das nord-west steirische Gebiet. Bei Krakau-Ebene, Obervölz, Brettstein, da gibt es ganz gottverlassene Seitentäler. Almen auch, ganz entlegene Höfe auch. Das war eigentlich mehr eine Reise des Gefühls, des Versuchs, für mich so eine Heimat zu finden. Also das hätte man sozusagen rationell nennen können, den Versuch eine überschaubare Gegend zu finden, die sozusagen für die filmische Arbeit tauglich ist. Das war dann noch immer der Widerspruch zwischen dem, was sozusagen die klassische Anthropologie gerade hat, in dem sie ganze Welt versucht hat zu betrachten und dem, was der Louis, glaube ich war das, der einer der ersten war, die gesagt haben: „man kann an Stelle dessen auch den Einzelnen betrachten.“ Da gab es halt Literatur, die habe ich in diesem halben Jahr alle gelesen. Vor allem diese 25jährige Studie über diesen mexikanischen Bauern.
S: Was heißt ‘zum Filmen tauglich’? Das heißt du hast bestimmte Vorstellungen davon im Kopf gehabt?
P: Ja. Die Vorstellung war ungefähr die, daß ich mir gesagt habe: ich brauche, weil es ja abzubilden gilt, ich brauche eine Gegend, wo ich bestimmte Voraussetzungen finde, [und] das waren eben so gewisse Ausflüchte, wo ich sage, daß [ich] bestimmte Voraussetzungen brauche, um das Filmische überhaupt werden zu lassen. Also mir wäre recht gewesen ein kleines Streudorf, mit darum herumliegenden Einzelgehöften in einer geografischen Lage, die das Ganze sozusagen zusammengehören läßt. Und das war weder in Tirol, noch in Salzburg, noch in Brettstein so zu finden. Das waren also alles Hauptstraßen, von denen dann Gräben, manchmal sehr, sehr lange, 15 km und so weggeführt haben und dort haben sie in der Einschicht aufgehört, ja. Da hatte ich also selbst immer das Gefühl, dort ist die Welt zu Ende, und das habe ich auch psychisch selber kaum ertragen. Das heißt, ich habe etwas gesucht, wo man herumgehen kann, wo man auch ein Dorf in einem, ein Dorf auf einer Alm, ja, wo man rundherum auf die Berge steigen kann und wo man runter schauen kann, wo man vom Dorf auch hinunter gehen kann, in die sogenannte Zivilisation, wieder zurückkehren kann in die Berge. Mal die Berge oben hat oder unten das Dorf. Einfach ein, vom Gefühl her ein Gefüge, wie ich sagen würde, daß man es sich als Kind noch, als Erwachsener tut man das in der Regel nicht, aufzeichnet. Wenn man einfach einmal so seinem Gefühl nachfolgt und etwas zeichnet, ja, – wie die Hunde herumlaufen, wie aus dem Schornstein der Rauch steigt, so wie Kinderzeichnungen eben ausschauen. So gewisse paradiesische Vorstellungen, die auch sicher Ängste einfallen. Auch im Sinne von dem, was der Borches, der Jorge Borches einmal geschrieben hat, wo, daß bei Tag die Bilder unsere Gefühle erwecken und bei Nacht unsere Gefühle, die Restgefühle des Tages, wenn man das so sagen will, sind die, die unsere Bilder unsere Traumbilder erwecken. Also war es schon so, daß ich eine Landschaft gesucht habe, Häuser und Gesichter, und Sprache und Arbeitsmöglichkeiten der Bauern, die so etwas wie bestimmte Gefühle in mir erwecken. Ich konnte es nicht ertragen in Gegenden, wo ich diese Gefühle nicht gespürt habe. Wo ich eher die anderen, die mich ängstigenden Gefühle gespürt habe, da bin ich sofort geflohen. Und in Obdach selber war es, also da gibt es simple Geschichten, warum es dann zu dieser Reise dahin kam. Das war ein Besuch in einem Tal in Allerheiligen [Graben], in der Nähe von Pöls. Wo ich einmal weit hinten, 15 km weit hinten, am Ende der Welt zu einer Bäuerin kam, wo sie ihr gerade die letzten Kühe abtransportiert haben. Ich bin mit ihr in der Küche gesessen und sie hat mir ihr Leid geklagt. Ihr Mann war im Juni gestorben, das war im Oktober, daß sie allein ist und daß sie alleine nicht wirtschaften kann. Und daß sie in den 30er Jahren von unten, von Pöls heraufgeheiratet hat und daß sie 40 Jahre ausgehalten hat. Und jetzt ist er vor ihr gestorben und sie weiß nicht, was sie tun soll. Sie muß jetzt sozusagen zu ihren Töchtern, die jetzt unten leben. Und sie will das nicht, und so. Und dann kam eine Rot-Kreuz-Schwester her, die geglaubt hat, ich wäre jemand von Fernsehen, der einfach auf Sensationen aus ist und dann hat sie zu mir gesagt: „Ja, da müssens nach St. Anna fahren, dort ist ein Graben der führt 20 km eine und dort müssen sie sich das Elend anschauen!“ und so. Und ich habe das nicht ernst genommen, habe sie aber wieder getroffen, oder treffen wollen einmal in Judenburg, beim Roten Kreuz, da hat sie sich verleugnen lassen. Dann habe ich mit ihr telefoniert, weil sie gesagt hat, sie ist in der Nähe von Obdach aufgewachsen. Und die hat sich dann verweigert, die wollte nicht, sie war noch immer der Meinung, das sei irgendwo eine fade Gschicht, die ich da vorhabe.
S: Wieso hat sie sich verleugnen lassen? Weil sie dich auf das Elend hingewiesen hat und weil sie nicht wollte, dass man weiß, daß sie dich auf das Elend hingewiesen hat?
P: Ich glaube, sie hat geglaubt, daß ich die, so die negative Sensation suche. Vordergründig – hintergründig, von ihrer Person her gesehen, würde ich sagen, daß sie auf Grund ihrer Tätigkeit als Rot-Kreuz-Schwester im Dienst der Ärmsten, der Bauern in den Tälern, den Alten, das Elend kannte und sozusagen für sich keine Lösung findet [oder gefunden hat]. Um dieses Elend zu bessern oder zu verhindern. Und aus einer – einerseits mir eben den Tip gegeben hat, daraus habe ich entnehmen müssen, daß sie Interesse hätte, daß es da was zu erkunden gibt und auf der anderen Seite die Haltung ausgedrückt hat, daß die, daß das etwas sei, wo es keine Lösung gibt. Also das war ihre Geschichte, nicht meine Geschichte. Und dann bin auch einmal nach einem Gespräch mit einem Architekten der dort in der Raumplanung tätig ist, zusammen mit dem Tiroler Architekten, bin ich einmal nach Obdach gefahren. Das erste mal in meinem Leben. Das war der 14.Nov.1970. Und da war strahlendes Wetter und da fährt man ja bei Eppenstein vorbei durch eine Talenge, wo auch Burgen gestanden sind, Reste von Burgen heute noch stehen. Und da kommt man in dieses sich öffnende Obdacher Land, wo in der Mitte dieser Markt Obdach ist der im 12. Jhdt., glaube ich, das erste mal genannt ist, wegen irgendeines Adeligen der bei einem Unwetter da Unterschlupf gefunden hat, bei einem Köhler. Und auf Grund seiner Errettung irgendeinem Heiligen die Kirche gebaut hat und gewidmet hat. Und dann Obdach entstanden ist, der Name. Und dann hatte ich noch Zeit nachmittags auf diese 5,4 hochliegenden Dörfer zu fahren: das ist eben St.Georgen, auf St. Wolfgang, St.Anna und gegenüberliegend ein Streudorf, Pretal heißt das. Und das hat mir eigentlich so gefallen, das war so ein seltsames Erlebnis. Ja, du standst oben und hast hinunter geschaut, hast gewußt, es gibt unten noch den geborgenen Markt Obdach. Und du stehst oben und hinter dir hast du diese wunderbaren, für mich immer ein fast japanisches Symbol, 2 Berge, die charakterlich so verschieden sind, wie der Amering im Osten und der Zirbitz im Westen. Und es war wirklich so die ganze Zeit wo ich dort war und wenn ich hingekommen bin, daß die zwei konkurriert haben miteinander. Und wenn der eine die Wolken gehabt hat, hat der andere strahlenden Sonnenschein gehabt und umgekehrt. Wobei der Amering der klassische ist, so ein Hügel, der oben kahl ist, so wie der Fujiama ungefähr. Und der andere ist ein wild zerklüfteter, eigentlich ein ‘Unberg’, ja, der nur aus Schlünden und Schluchten und halt irgendwo erkennbar so etwas wie ein Gipfel, weil dort ein Steinhaus steht. Und das sind Entsprechungen, die also vielmehr mit dem zutun hat, was z. B. die Malerei oder die Musik auch macht, als mit dem was der Film macht, so beiläufig auch macht. Und da hatte ich das Gefühl, da bin ich zu Hause, ja. Und da wäre es möglich etwas zu tun. Weil das ja völlig offen war, was. Es war also nur dieses Konzept, auf der einen Seite, die Bauern, auf der anderen Seite machen wir einen Film.
S: Hast du zu diesem Zeitpunkt schon gewußt, [daß] es ein Dokumentarfilm werden soll?
P: Hm, hm, ja. Und zwar damals noch in einer eher streng gefaßten Form. Wo ich mir gedacht habe, ich mache ganz klare Bilder, diese klassischen Bilder, auch abgeleitet von den Bildern, die sozusagen bei den Bauern in den Almen stehen, Stätten, wo sie immer kerzengerade vor der Kamera postieren, dann sich porträtieren lassen. Das habe ich ja dann später gesehen, dass das ein völlig falsches Konzept ist, weil ich selber meine Konzeption auf diese Wirklichkeit hätte übertragen wollen und das wäre eigentlich nicht das gewesen, was ich unbewußt gesucht habe, als ich erwartet habe, daß es entsteht. Ich habe also sehr rasch von all diesen Vorstellungen losgelassen und mich einfach treiben lassen in das, mit einer einer möglichst, sogenannten freischwebenden Aufmerksamkeit, in das hinein, was sich dort [begibt] um mich [und mit mir] begibt. Und dann war ich in Obdach unten übernachten, und dann war der Schnee in der Nacht gefallen, in der Nacht, von einem Meter, und dann war also kein Fortkommen, ich war gezwungen in dem Wirtshaus zu sitzen und zu warten bis der Schnee vorbei ist, dann war drei Tage lang kein Strom in der ganzen Gegend, weil die Leitungen abgebrochen waren und der Sturm und der Schnee haben die Wälder wie nicht hundert Jahre zuvor ruiniert. Und da habe ich also die Geschichte gehört und die Leute gesehen und, ja, die Sprache, das Unverständliche und so, und ich habe mir gedacht, das ist es. Da ist es einfach! Und es war also der Winter draußen, war schön kalt, in den Stuben war es warm. Der Dunst, ja, und der Bierduft, die Leute haben sich alle zurückgezogen. Dann habe ich mir gedacht, ja, warum nicht, es ist irgendwo angenehm. Dann kam es auch zu Begegnungen, die sympathisch waren, der Bürgermeister von Obdach, der ein sehr, sehr vitaler, teilweise mich auch sehr häufig an meinen Vater erinnernder Politiker ist, ein klares Ziel vor Augen hat, als Sozialist. Der heute nicht mehr dort ist, sondern steirischer Landesbauernobmann ist. Oder der Oberlehrer in dieser Hauptschule in Obdach, oder dieser zwiespältige Pfarrer in St. Anna oben.
S: Der, den man auch sieht im Film?
P: Ja, der. Der sehr viel weiß einfach, dem auch die Leute sehr viel erzählt haben auch. Und ich habe das wirklich so angegangen, wie man das vielleicht im klassischen Sinne so angehen würde. Weil es für mich doch etwas zu beängstigend gewesen wäre, am Anfang direkt mit den Leuten dort am Ort zu tun zu haben, außer mit denen im Wirtshaus. Oder mit denen, die ich da langsam auf den Listen zusammengeschrieben habe, aus den Gesprächen mit ‘Go-betweens’. Daß ich mich am Anfang also an ‘Go-betweens’ gewandt habe, also an Leute, die auf Grund ihres Lebens und ihrer Tätigkeit einen Überblick hatten. Und habe mir das einmal angehört, ich bin also schon von draußen hingegangen. Nicht, das von innen aufgemacht. Obwohl das dann irgendwo ein Prozess war, der gleichzeitig passiert ist. Sowohl die Betrachtung von Außen wie auch das Hineingehen nach innen, das Erleben von Innen her. Denn ich habe ja dann, wie ich wieder rauf gefahren bin, nach 4 Tagen bin ich nach Wien gefahren, habe entschieden, dort machen wir es, habe in Wien etwas geregelt und bin dann wieder hinauf gefahren. [Und habe] sozusagen die ersten Streifzüge in die Gegend gemacht, auf die ersten Höfe hingegangen, habe angeklopft, habe gesagt: "Guten Tag". Also ich bin jemand, ich komme aus Wien und bin eigentlich im Waldviertel geboren, ich kenne mich aus auf dem Land und irgendwie habe ich da etwas vor, [zu fotografieren] oder, was weiß ich, einen Film zu machen, ja. Und „wie gehts euch“ – da haben wir eigentlich nie über den Film gesprochen, das war ihnen ganz wurscht, das war so ein gastfreundschaftliches Verhältnis, von Menschen, die dich aufnehmen, weil du einfach da bist. Was du machst oder womit du daherkommst ist eigentlich wurscht. Außerdem war das im Winter und da sind eh alle im [Haus], in der Kuchl und warten, daß jemand kommt und mit ihnen redet.
S: Dann hast du also gleichzeitig – als du gewußt hast, St. Anna wird es oder da machst du etwas. Naja, erstmal war es ja nicht St.Anna, erstmal war es ja irgendwie nur in Obdach oben oder hast du dich gleich für St. Anna entschieden?
P: Naja, das war sozusagen [erst] Obdach, wobei – ja, es war zuerst Obdach, und dann war es St. Georgen. [Wobei] St.Georgen nur daraus bestanden hat, daß Streuhöfe, ein Kirche da war, auf einem Hügel neben der Kirche ein alter Pfarrhof, ein kleines Geschäft, ein Haus, wo einpaar alte Leute gewohnt haben und ein altes Wirtshaus. Und das hat mich aus verschiedenen Gründen angezogen, immerwieder. Es war von daoben sehr schön ins Land zu schauen. Nur fand ich bald heraus, daß es in diesen winterlichen Verhältnissen nicht möglich war oder nur sehr schwer möglich war den Weg zu den einzelnen Höfen zu finden, von St. Georgen aus. Ich hatte eine sehr genaue Karte mit, die jeden Weg sogar eingezeichnet hat, jeden Hof, jede Hütte, auch die niedergebrochenen, die Reste von den Höfen. Und daß das, einen Menschchen in St. Georgen, selbst im Pfarrhof um, diese Kirche, die ja nicht mehr vom Pfarrer besetzt war, gelebt hat, zuwenig war um damit zu arbeiten. Und dann bin ich halt von dort runter und habe die anderen Gräben besucht. Kienberg oder hinauf, und das war auch etwas im Winter Unbefahrbares, weil da waren riesige Eisplatten. Da konntest du also gar nicht dazu. Und dann gab es einen Hof, den höchsten Hof auf der Süd-Seite des Tals, des Obdacher Lands, der sogenannte Schoberecker[egger?], mit Vulgonamen und da habe ich eine ältere Frau getroffen, die Mutter mehrere Kinder, die Mehrheit davon schon im Ausland lebend, also in Graz oder so, und der Sohn, der vielleicht 25 war, hat auf diesem Hof gewerkt. Und mit dem haben wir uns sehr gut verstanden und der war dann, nachdem St. Georgen irgendwie abgefallen ist, obwohl der Hof noch zu St. Georgen gehört, der Schoberegger, aber über einen Bergrücken schon zu, nach St. Georgen zu gehörig war. Und das war dann, hat simpel auch daran gelegen, daß der Weg da oben, denn der Hof lag auf 1450m, unter gewissen Witterungsbedingungen nicht mehr befahrbar war. Oder begehbar war schon gar nicht, weil das ganz einfach 8km zu Fuß gehießen hätte. Weil der Schnee oder das Eis, das da tagsüber auf den Weg durch den Wald lag, von der Sonne weich getaut war und nachmittags um 4 Uhr festgefroren war und über Nacht also eine glatte Eisbahn war bis vormittags um 10 Uhr. Da konntest du nichts mehr machen. Wir sind einmal fast abgestürzt mit dem Auto auf diesem Weg und auf anderen auch. Wir sind da runter gerutscht und haben nicht mehr gewußt, wo wir stehenbleiben werden. Und simpel waren es dann diese Gründe, die mich veranlaßt haben nach St. Anna zu gehen. Weil da hat es eine damals noch nicht asphaltierte, aber gut befahrbare Straße gegeben, über die sie eben auch die Milch hinuntergeführt haben mit dem Traktor von St. Anna selber. Es war eine Ortschaft die deshalb schon gut befahrbar war, wegen der Kirche und wegen der Pfarre. Die höchste Pfarre in der Stmk und [zu]gewissen kirchlichen Festen im Sommer – oder bei sonstiger Anlässen, regen Zuspruch von außen erntet, Tourismus, ja. Es gab auch so wie in St. Wolfgang sogenannte Wochenendhäuser, Leute die aus Graz oder sonst irgendwo herkommen, Judenburg, Knittelfeld, ihre Parzellen gekauft hatten und gebaut halten, so Holzhäuser. Und dann gab es diesen langen Weg nach hinten ins Tal. Auf der Halbscheid zum Kratzer-Bauern und ganz hinten den Erma-Bauern. Beide sind auch die Hauptfiguren geworden in dem Film. Wie ich den Kratzer getroffen habe, daß ist der mit der schlechten Sprache, weiß ich nicht mehr. Ich habe das verdrängt, das ist mir nicht mehr in Erinnerung, wo [und] wie ich ihn zum ersten Mal getroffen habe. Ich habe nur gewußt, daß – als ich ihn getroffen habe ist etwas merkwürdiges passiert. Da habe ich einen Menschen getroffen, der für mich eine derartige Faszination ausgestrahlt hat, weil ich gespürt habe, der hat irgendwo Antennen, Sensoren, eine Sensibilität, die andere überhaupt nicht mehr haben. Und je länger, ...
S: ... wie alt ist er?
P: 22 geboren. Und seine Frau ist 10 Jahre älter, die Johanna. Das ist eine eigene Geschichte. Er hat sie mir mal bei der Wallfahrt, wo ich mit war, erzählt, 1982. Und da hat man gemerkt, daß er sie selten erzählt oder nicht erzählt. Daß er eigentlich eine Liebe hatte, so im Alter von 24, 25, mit der er sich hätte vorstellen können zu leben und das hat aber seine Mutter verboten. Sein Vater starb relativ früh, 50, glaube ich, seine Mutter starb 68, die Mutter hat es verboten, diese Frau war, dieses Mädl war irgendwo von einem Nachbarhof. Und da war er dann schon 30, hat die Mutter ihn sozusagen gezwungen, eine zu heiraten. Weil sie gesehen hat, daß er den Hof übernehmen muß und Knecht gab es seit, glaube ich 68 auch nicht mehr, und dann hat die Mutter eine bestimmt. Und das war die Johanna vom, Nachbarhof die10 Jahre älter, sie hatte keine Chance mehr geheiratet zu werden oder zu heiraten. Da hat die Mutter diesen Deal gemacht. Und das wurde die größte Hochzeit der letzten 30 Jahre, die Kratzer-Hochzeit. Die auch von anderen angesprochen wird, er, sie, wie sie da am Zaun lehnen und erzählen, wie sie sich kennengelernt haben, bei dieser Hochzeit vom Kratzer. Und dann haben die zwei eigentlich gelebt, getrenntes Bett, die Mutter war sozusagen immer dazwischen, die Mutter hat dann gekränkelt, hat er mir irgendwo anders dann erzählt, und er mußte dann sozusagen schon immer bei der Mutter im Zimmer schlafen, der ist es schon sehr schlecht gegangen. [Sie ist auch in dem Bett gestorben]. Und so Sachen waren da irgendwie. Ich habe da nur so Relikte erfahren, Bruchstücke. Er hat ziemlich traurig damals bei der Wallfahrt gesagt, 15 Jahre hat es gedauert bis er sozusagen mit seiner Frau halbwegs zurecht gekommen ist und bis sie gesehen hat, daß sie irgendwie mit ihm auf diesem Hof lebt.
S: Kinder haben sie keine?
P: Kinder haben sie keine. Sie war schon 40, er war 30, da ist 15 Jahre überhaupt nichts passiert und dann war es sicher zu spät. Obwohl er ein ausgezeichneter Vater gewesen wäre. Der wäre, der wäre wahnsinnig geworden, wenn er Kinder gehabt hätte. Und mich hat an ihm fasziniert, daß er z. B., das habe ich recherchiert, sehr rasch, – Ich bin z. B. oft gegangen und habe mich überall wo es möglich war, auch bei dem Dorfarzt in Obdach erkundigt über Unfälle, Motive für Serienunfälle, Handabschneiden, Selbsttötungen, Suizide, Krankheiten, welche Art von Krankheiten, welche Jahreszeiten. Wie er das sieht. Ich habe mir das auch von den Bauern selber immer erzählen lassen, ja Verstümmelungen, an der Kreissäge und so Sachen und der Kratzer war der Einzige, der noch nie einen Unfall hatte im Leben, obwohl er von Geburt an eigentlich schlecht hört und schlecht spricht. Wenn er nur auf die Straße geht, hört er kein Auto, den hat aber noch nie ein Auto angefahren, der hat sich noch nie einen Finger abgeschnitten oder in den Fuß gehackt, nichts. Alle anderen, ja. Und das hat mich interessiert. Noch dazu, er hat dann irgendeinmal spontan, [was] im Film mir sehr gut gefällt, wo er über die Vulkane spricht, und die Vulkanausbrüche. Er ist einer, der unheimlich viel liest, der Zeitungen aufhebt, sein Vater war der berühmte Bürgermeister, der in den 30er Jahren das Dorf allein geregelt, hat, ohne Sekretär sozusagen, und das halten sie dem Hermann heute noch zugute. Und er hat viel geerbt vor, diesem Vater an Intelligenz, an Wachsamkeit und an Beweglichkeit und Kunsthandfertigkeit. Er ist eigentlich in meinen Augen, ist er ein Künstler. Ein Lebenskünstler und aber auch [in dem] wie er mit den Dingen umgeht. Nur also in einem ganz anderen Sinn, als man es in unseren Breiten versteht. Er ist ein Naturkünstler.
S: Also du hast damit angefangen, erstmal also nicht zu filmen, sondern zu fotografieren, und dann irgendwann mal später auch zu filmen, gleichzeitig auch zu recherchieren und zu lesen.
P: Ja.
S: Hast du [dir] auch Statistiken und dergleichen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen, und so, besorgt?
P: Also diese Sachen hatte ich alle schon das Jahr zuvor gelesen, wo ich gewartet habe auf den Zuspruch dieser Subvention. Also das war die Hauptarbeit Mitte 78 bis Frühjahr 79. Über Kontakte zum Bundeskanzleramt, zu bestimmten fortschrittlichen Bauerngruppierungen, Bergbauernvereinigung, Literatur die greifbar war, damals gerade in der Zeit aufgekommen ökonomische, soziale, familiäre, was weiß ich was, historische Situation der Bauern sehr dicht aufgearbeitet worden. Und vor Ort hatte ich das. Ich habe eine Mitarbeiterin mitgehabt, 2-3 Monate, die das recherchiert hat. Das hat mich eigentlich sehr rasch überhaupt nicht interessiert. Weil ich schon in Wien zuvor, ein Jahr zuvor auf etwas draufgekommen bin, in dem Buch ‘Armut in Österreich’, wo ein ganzer Abschnitt hinten, vielleicht 30-50 Seiten, über die Situation der Gebirgsbauern berichtet, und damals hatte ich auch Kontakt mit zwei sehr Intelligenten Burschen vom Institut für Höhere Studien, dem Peter Scheer und dem Josef Krammer, der der Leiter des Bergbauerninstituts ist in Grinzing, und die beide politisch tätig waren im Zusammenhang mit der Bergbauernvereinigung, die sich eigentlich aus Entwicklungshelfern rekrutiert hat, zusammen. mit fortschrittlichen jungen Gebirgsbauern hier. Da habe ich bei der Lektüre dieses Buches ‘Bergbauern in Österreich’ den Abschnitt zu den Gebirgsbauern entdeckt, daß ich alles, was ich hier ökonomisch lese, das war eine Beschreibung der äußeren Situation. Ich habe es gelesen, wie eine Beschreibung der seelischen Situation, dieser Menschen. Und da ist das aufgefallen. Dann habe ich, nachdem ich immer wieder Marx und Freud lese, und aus diesen Verhältnissen stamme, aus den Entsprechungen für mich einen Schluß gezogen habe, der eigentlich hieß: das Äußere beobachten, das Innere erkennen. Oder umgekehrt. So wie diese Zitat von Borches – ‘Die Bilder bei Tag machen die Gefühle, und die Gefühle bei Nacht machen die Bilder’. Das hat mich dann eigentlich nicht so sehr interessiert, ich habe mir gedacht, das Einzige, was sozusagen filmisch passieren kann, daß ich mich auf das, was dort passiert, was mir passiert natürlich, in erster Linie, was passiert im Zusammenhang mit diesen Menschen dort, daß ich das wahrnehme. Mir war rasch klar, daß alle filmischen Konzeptionen zu verwerfen waren und das es nur darum gegangen ist, zu filmen. Das ist natürlich ein Experiment und ist auch in meiner Kenntnis nie irgendwo durchgeführt.
(Ende der Kassette I)
Und ich habe für dieses Projekt relativ viel Geld im Verhältnis zu anderen Projekten dieser Art, die wirklich schwindsüchtig finanziert worden sind. Das ist in Amerika sicher anders, weil dort gewisse, eine gewisse Aufgeschlossenheit gegenüber – das muss mit dem Protestantismus zu tun haben – gegenüber Forschungen dieser Art, Phänomene die man verfolgt, da ist. Das gibt es in Europa kaum. Gleichzeitig hatte ich damals, 1979, wieder mit der Psychotherapie begonnen, die ich ein Jahr unterbrochen hatte. Das war sozusagen eine Arbeit auf mehreren Ebenen. Die mich betroffen hat, aber die von mir schon weggegangen ist auf die Wahrnehmung des Draußen, und zwar nicht auf die Erscheinung und damit auf die Vorstellungen, die ich mir von der Welt mache, sondern auf die Handlung, und die Verfolgung von Handlungen und Handlungszusammenhänge. Also simpel auf bestimmte Hangriffe z. B.: Sicher ist, wenn ich heute, 1984, anschaue, was ich da 1979 und 1980 gemacht habe, sicher ist das, das würde ich auch nie leugnen wollen, und das sollte auch nie geleugnet werden, ist das eine Sache die primär mit mir zu tun hatte. Und mit der Art und Weise, was ich zu der Zeit angegangen bin, und was mir möglich war zu sehen, zu begreifen, anzugreifen, zu handeln, umzustellen, zu Ordnen, zu zerreissen. Das Lesen hat dann eine andere Bedeutung bekommen. Ich habe dort ein Zimmer gehabt in einem Bauernhof, das war relativ groß und ich hatte die Möglichkeit Plakate oder Packpapier an die Wand zu hängen und darauf irgendwelche Sachen zu kritzeln. Und da gab es dieses seltsame Bild, das ja auch im Ordner drinnen war, den du hattest, von den Kreisen. Wo auf der einen Seite der ökonomische Kreis war, der Bauern, der Kreislauf von der Erde über die Produktion Markt. Und der entscheidende Moment für die Bauern ist der, wo er mit seiner Kuh am Markt ist und der Käufer sagt: „Du kriegst 100 Schilling dafür, und keinen Schilling mehr“. Und das selbe dann auf der rechten Seite, im Kreislauf des Menscheninneren und seiner Äußerung der Gefühle, die er auf Grund von Eindrücken von konkreten Verhältnissen entwickelt oder hat. Sozusagen eine Geschichte der äußeren und der inneren Verhältnisse, die für mich deckungsgleich waren. Und ich habe dort wirklich ich nur verfolgen müssen [das] was draußen war und passiert ist, und wie es sich dargestellt hat und wie ich es wahrgenommen habe und ich habe sozusagen die innere Entsprechung entdeckt. Und ich habe mir gesagt: „Es ist logisch, ich brauche nur zu zeigen, was diese Bauern und was ich mit diesen Bauern dort tue und wie ich es wahrnehme und man erfährt das Andere. Es war mir relativ bald völlig unwichtig, so filmische Konzeptionen, wie sie für mich in Form von Zensur gemacht wurden und gemacht werden, Jahreszeiten oder so absurde Sachen, daß bei einer Filmvorführung in Zürich ein filmender Mensch, ein Filmautor und Regisseur, sich beklagt hat darüber, daß in diesem Film eine Szene passiert, wo ein Bauer Hafer auf seinen Wagen häuft, dann einen langen Prügel über diesen Wagen legt, und den hinten mit einem Strick [fest] runterzieht, so daß der Hafer fest auf dem Wagen ist, weil er ja einpaar hundert Meter zum Hof über den Hang gehen muss, damit der Hafer nicht verloren geht. Da sieht man am Ende dieser Szene wie der Bauer den Balken festzurrt, und eine Schlinge macht und man sieht nicht mehr welchen Knoten er macht. Der Schweizer hat gesagt: „Wo ist der Knoten, ich möchte den Knoten sehen“. Ich habe gesagt: „also bitte, das habe ich nie gedacht, daß das wichtig ist. Mir war [die] Körperhaltung dieses Menschen wichtig“. Und dann geht es mir beim Filmen um etwas ganz anderes. Ich bin natürlich hingefahren mit gewissen filmischen Vorstellungen, die sich vor allem abgeleitet haben von den mir bis dahin Beispielen von Filmen, die es zu solchen Sujets gab und gibt.
S: Und welche waren das?
P: Das waren auf jeden Fall Filme von Jean Rouch, oder ich hatte eine ganze Liste von Filmen das waren Filme von Godard, von Buñuel, das waren Spielfilme und Dokumentarfilme das waren auch Experimentalfilm, das war ... Weniger so Sachen, die immer vordergründig genannt werden – Filme von Flaherty – das waren sicher Filme von diesem Wiseman, diesem Amerikaner, der unheimlich viel produziert hat in den letzten 20 Jahren – alles mögliche. In allen, diesen Filmen ist mir eines abgegangen, und zwar: eine ganz bestimmte Optik und eine ganz bestimmte Annäherung. Alle diese Filme haben sozusagen, in meinen Augen, vorzensuriert und zensuriert durch die Art und Weise wie sie die Sprache des Films benützt haben, zensuriert, was eigentlich da ist. Sie haben, für mich spürbar, die Wirklichkeit in dem Maße zensuriert, indem sie ihr nicht habhaft wurden. Es ist logisch: ein Maler der kein Rot sehen kann, wird auf seinen Bildern kein Rot malen – in diesem Sinne. Einer, der erpicht ist darauf, Statistiken zu machen, der wird, auch wenn er Filme macht, statistische Filme machen. Einer der, es gab das berühmte Beispiel eines New Yorkers, der mit 18 Jahren einen Banküberfall gemacht hat, dann 10 Jahre gesessen ist in New York, oder 20 Jahre, und im Häfen in New York hat er begonnen Theater zu spielen und ist im Häfen schon so berühmt geworden mit seinen Inszenierungen, daß er, als er frei kam, nach Los Angeles gerufen wurde. Ein eigenes Theater bekommen hat, dann Filmregisseur geworden ist – der aber immer gesagt hat: „Ich kann mit gutem Gefühl keine Wiese betreten. Weil ich immer auf Beton gestanden bin.“ Und all diese Beispiele, vor allem George Rouquier in Frankreich mit seinem Farrebique, und dem 30 Jahre später gedrehten ..., im selben Dorf, mit denselben Leuten, nur 30 Jahre älter. Das ist ein klassisches Beispiel für Dokumentarfilm oder für Film, wie ich es überhaupt nicht verstehe, denn er hat den Dokumentarfilm inszeniert. Er hat vorher alles recherchiert, geschrieben und dann inszeniert. Das verstehen die Franzosen unter Dokumentarfilm. Wenn man das französische Dorf so spürt, nachspürt, wie ich es nachspüre, wie ich es kenne, auch persönlich, indem ich dort Freunde habe, dann war das für mich immer ein Volk, daß in hohem Maße zensuriert hat, nicht zugelassen hat. Ich wollte bei dieser Arbeit, simpel, mit der Möglichkeit spielen, freischwebend aufmerksam zu herumzulaufen und einfach Dinge wahrzunehmen. Und sozusagen für mich immer wieder, [nachher zwischendurch oder komplett überhaupt] nachher feststellen, was hast du gesehen, was nicht. Z. b. die Vorwürfe, speziell von Frauen, gegenüber dem Film, gegenüber ‘Himmel und Erde’, dass Frauen so eine karge Bedeutung hätten in diesem Film, habe ich immer begegnen müssen. Ich habe rationale Argumente gehabt, Argumente, die in diese Richtung zielen und ein simples Argument, dass wir zwei Männer waren, die da rumgekrebst sind und Frauen im Gespräch die wichtigeren Partnerinnen waren, aber beim Filmen die waren, die sofort geschwiegen haben, und die das nicht erlaubt haben. Das ist verstehbar aus der sozialen und familiären Rolle der Frau dort, und der ökonomische Zwänge, die es ihnen ja vor Augen hält, dass sie nur mehr kurz dort leben und existieren können. Also müssen sie alles tun, um das zu bewahren, werden also nichts veröffentlichen von dem, wo sie wissen, daß könnte gefährlich werden, Schmutz, Unordnung, ja. Das geht schon wieder in eine andere Richtung. Dann habe ich gesagt, da wo in diesem Film Frauen erscheinen, sie in meinen Augen so erscheinen, wie sie, wie die Männer nicht erscheinen – also macht das etwas durchsichtig. Genauso, wie also die Abwesenheit von etwas auch dafür spricht. Und das Lesen, um nochmals darauf zurückzukommen, das Lesen war natürlich vielfältig, so wie ich gesagt habe, sich an der Wand Dinge ereignet haben und Rätselspiele sich ergeben haben. Das war nichts anderes, als, wenn man das vereinfacht oder verkürzt sagen würde, ein in alle möglichen Richtungen Sich-Verströmen und Gehen und was da ist. Warten und Schauen und Nachspüren. Ja, alles, was da ist. Ich habe auch Zeitungen gelesen, deshalb gibt es in dem Film auch so Kurzwellen-Sachen. Eine Collage an Wirklichkeitserfahrung, die an, ja, nicht zu leugnen ist, wenn man wo ist.
S: Und wie ist das z.B. mit einigen Filmen von Klaus Wildenhahn, der ja nun kein fertiges Konzept hat, wenn er irgendwo hingeht?
P: Den Wildenhahn habe ich das erste mal getroffen hier in Wien 1977, ein paar Regisseure haben gesagt, der Wildenhahn soll kommen, man kennt ihn in Österreich überhaupt nicht, man kennt ihn auch bisher wahrscheinlich nicht, außer daß er heuer in Graz war zum Steirischen Herbst. Man kannte ihn nicht und ich hielt ihn damals schon für einen der wichtigsten Filmer in meinem Sinn, und ich habe also dafür plädiert, daß er in Wien einmal vor den Regisseuren, die im Syndikat der Filmschaffenden beieinander waren [oder einfach] Interessierten spricht. Das seltsame Phänomen ist passiert, daß der Wildenhahn kam, auf unsere Kosten, mit dem Zug, erster Klasse, mit seinem Sohn aus Hamburg und – gerade, daß ihn noch einer vom Bahnhof abgeholt hat, dann war er vier Tage in Wien und es hat sich niemand um ihn geschert. Wir saßen zu dritt, zu viert mit ihm im Beisl und haben uns mit ihm unterhalten und er saß mit der Tuchtenhagen, seiner damaligen Kamerafrau daneben und hat immer – also er war wie in Kafkanien. Er hat mir das später erzählt ’82 in Nyon, er hat es bis heute nicht begriffen, was da passiert ist. Es war eine komplette Leugnung seiner Person, seines Werks, dabei wurde mit unheimlicher Emphatie angegangen und es wurde gewünscht, daß er daherkommt.
S: Dazu ist zu sagen, daß er gesagt hat, als ich ihn jetzt im Sommer getroffen habe, daß er gesagt hat, daß du offensichtlich der Einzige warst, der sich seine Filme auch angesehen hat.
P: Ja, ja. Ich bin mit einem anderen am Schneidetisch gesessen und wir haben uns die Filme angesehen, die Kopien waren ja da. Und dann habe ich ihn wiedergetroffen 1982 in Nyon und habe mich darüber sehr gefreut, weil er einen sehr schönen Film hatte, den Tango, das ‘Bandonion’. Der Tango in Deutschland der Tango im Exil. Der mir sehr gut gefallen hat und noch besser hat mir gefallen der Film, über die Pina Bausch, den er vor 2 Jahren gemacht hat. Wo ich festgestellt habe, daß der Wildenhahn einen unglaublichen Sprung gemacht hat, das erste mal, daß er als Sujet seiner Arbeit eine Frau gewählt hat. Noch dazu eine wie die Bausch. Abgeleitet von seiner Arbeitsweise habe ich eigentlich damals gewunschen, bei dieser Arbeit zu Himmel und Erde, sozusagen in einem Kollektiv von Mann und Frau dort diesen Leuten, den Bergen gegenüber zu treten, simpel auch wegen dieses Effekts – was man auch aus der Anthropologie kennt, daß man als Männlein und Weiblein einem Volk oder einer Familie oder einem Menschen gegenüber beide Aspekte ja viel leichter handeln kann. Das war nicht möglich, weil sich einfach niemand gefunden hat.
S: Soviel ich von Klaus Wildenhahn kenne, scheint er mir in seiner Art, so wie er Filme macht, obwohl ich auch glaube, daß sich das verändert hat in den letzten Jahren, viel rigider zu sein, was die Form des Dokumentarfilms betrifft.
P: Ja, ja.
S: Da ist ja deiner ganz anders.
P: Der Wildenhahn ist ein – gut, der ist älter, er kommt aus einer ganz anderen Kultur, aus einer ganz anderen Geschichte, aus einer ganz anderen Tradition, er hat mit dem Fernsehen zu tun. Er ist, eigentlich in meinen Augen einer, der mehr, das scheint mit einer sogenannten deutschen Eigenart zu tun zu haben, vorallem da, wo es Männer betrifft, mit einem leichten Zwang bei ihm –nicht sehr deutlich, aber spürbar – mit einem leichten Zwang doch Ordnung zu schaffen. Simpel, dadurch, daß er seine Filme unheimlich kalkuliert, baut. Die Tatsache daß der Wildenhahn [kaum] Text verwendet, und wenn, dann ein so zurückhaltender, von ihm persönlich gesprochener oder von anderen gesprochener, ein so knapper Text ja, so wie ich vorhin gesagt habe: „auch das Nicht-Erscheinen ist ein Erscheinen“. Aber das ist genau das, wo ich mich unheimlich gut verstehe mit ihm, weil das ist auch irgendwo meine Art. Sozusagen das Nicht-Handeln. Einfach die Kamera hinstellen und laufen lassen und jetzt schauen, was passiert. Und dazu nichts sagen, ja. Es läßt sich so schwer darüber reden, ja, weil es gibt sicher eine Entsprechung.
S: Hast du jemals die ‘Liebe zum Land’ von ihm gesehen?
P: Ja, ja. Die zwei Filme?
S: Ja. Und zwar finde ich daran interessant, daß es um Arbeit geht. Um so ne ähnliche.
P: Hat er aber völlig anders konzipiert, wie ich. Der Wildenhahn ist jemand, der in gewisser Hinsicht mir auch ein Vorbild war und nachwievor ist, weil er etwas gemacht hat, immer schon, was ich also nicht gemacht habe, er ist also sozusagen der geschultere Materialist. Oder er ist simpel der geschultere Marxist. Wogegen ich eher der geschultere Psychologe bin. Emden – ein Paradebeispiel: so wie er Emden gefilmt hat, diese langen Gespräche, das hätte ich nie so gefilmt, aber davon ist er ja auch abgekommen, er hat das, glaube ich, nie wieder gemacht nachher. Da muß er irgendwo erkannt haben, daß das es nicht ist. Ich muß sagen, er hat für mich überraschend, bei der Pina Bausch die Wende gemacht. Er hat ja auch mit einem anderen Kameramann gedreht, den ich damals in Berlin getroffen habe, als die Pausch gelaufen ist und zu dem ich gesagt habe: „Du wärst der gewesen, den ich mir für ‘Himmel und Erde’ vorstellen hätte können.“ Einfach eine sinnlichere Wahrnehmung dessen, was da eigentlich passiert. Sich einfach mehr spielen wirklich mit dem, was man da selbst an Sehnsüchten und Ängsten erfährt, wenn es live passiert, mit der Kamera in der Hand. Das ist es – man kann nicht ein Konzept verfilmen, das ist idiotisch – das ist eine Totgeburt. Der Film ist etwas ganz anderes. Man kann ja nicht ein Konzept von einem Bild machen und das abmalen, so wie man in der Schule gelernt hat, ein 4 x 4 cm kleines Bild auf 40 x 40 cm zu vergrößern, indem man ein Raster gemacht hat: das sind Totgeburten, das geht nicht.
S: Also ich möchte nur mal dazwischen sagen, daß ich mindestens noch eine Stunde brauche.
P: Hast du den Plan fertig?
– Pause –
S: Ich würde gerne nochmal darauf zurück kommen. Auch wenn du sagst, du hättest keine direkten Vorbilder aber so im luftleeren Raum hängt der Film ja nicht. Wie ist das z. B. mit Filmen von Chris Marker?
P: Ach, ja! (lacht)
S: Das liegt ja nahe.
P: Schau! Das ist eine zwiegespaltene Sache. Und da muß ich mal über das Kino, oder den Film reden. Ich bin jemand, der Filme macht, der aus Gründen, aus gewissen Schwierigkeiten zu produzieren, die z. T. in mir lagen, zum Teil außer mir lagen, z. B. in der filmischen Landschaft dieser Gegend Österreich, wo gewisse Möglichkeiten einfach nie, auch in anderen Ausdrucksweisen und ganz normalen, alltäglichen Handlungen, nie möglich waren oder nie so selbstständig waren wie beispielsweise in anderen Kulturen, wie Holland oder irgendwo sonst. Ich bin also vorerst immer daran interessiert gewesen, seit ich laufen kann oder seit ich mit 12 Jahren begonnen habe zu fotografieren und mit 11 oder 14 Jahren gefilmt habe, an der Herstellung von Bildern. An der Herstellung von Bildern, die ich einfach abgezogen habe der Umgebung, die mich umgeben hat. Und ich bin aus gewissen Zwängen heraus, denn ich habe in den 60er Jahren Experimentalfilme gemacht, 8mm, ich habe Film zerkratzt, mit Farben bemalt, ich habe alles mögliche gemacht, in Einzelbildern gedreht, – alles, was da also so auffällt, habe das nie so veröffentlicht mit dem Anspruch, es handle sich hier um veröffentlichbare, handelbare Produkte, sondern mehr so im Sinne einer Spielerei, wie man als Kind spielt. Aber dann im Zugzwang, einfach Geld verdienen zu müssen, überleben zu müssen, sozusagen aus meinem Talent Bilder zu erzeugen und Töne zu hören, Geld zu schöpfen versucht und bin da ständig ‘auf die Goschen’ gefallen, vor allem deshalb weil es für den freien Markt von diesem Land aus nicht realisierbar war, nach wie vor kaum realisierbar ist. Also mit dem Fernsehen zu tun bekam und dort leidvolle 7 Jahre Erfahrung gehäuft habe, was 1978 dazu geführt hat, daß ich gesagt habe, nie wieder. Und der andere Zwang bestand eigentlich darin, daß ich Filme auf eine Art Weise machen mußte, die z. B. bestimmten Rahmenbedingungen folgen muß, bestimmte Länge haben mußten, bestimmte Sujets haben mußten, bestimmte Montagen haben mußten, bestimmte Kommentare haben mußten, bestimmte Bilder haben durften, andere nicht, usw.
S: Ausgeglichenheit.
P: Ausgeglichenheit, ja klar. Ich war also einer derer, ich glaube, sicher hat sich das schon von Österreich weitergeschlagen, aber ich war Mitte der 70er Jahre, habe ich angeturnt im ORF eine Serie zum Thema Entwicklungspsychologie. Vom Moment der Zeugung bis zum 20. Jahr und im anderen Fall war es dann so etwa ein Jahr später eine Serie über Psychosomatik. Wobei das vom ORF verhaut worden ist, weil sie das Wort Psychosomatik sofort in jede Pressemeldung gegeben haben. Und ich habe gesagt: Nein, das dürfen einfach Bilder sein und Töne und der Zuschauer kann denken, was er will. Und das hat mich auch schon geärgert, und dann ein Film über einen Bauern in meiner Heimat, im Waldviertel, an 4 Tagen zu drehen gewesen, und – der ist heuer gestorben – und das hat mir auch leidgetan. Damals hatte ich ganz stark den Wunsch, in diesem Dorf einmal ein Jahr zu leben und wirklich Bilder zu finden und nicht in vier Tagen finden zu müssen. Ich war in den 60er Jahren einer der häufigsten oder der interessiertesten Besucher des Filmmuseums in Wien, von seinen Anfängen her schon, noch als sie in der Technik Filme gespielt haben. Ich habe alle Filme gesehen, die damals anzusehen waren. Nürnberg in Cinema, Filme von Stan Brakhage, von Landow und alle, die sie damals großen Ruhm eingeheimst haben. Ich bin damals staunenden Auges im Kino gesessen und habe einfach einen Film gesehen, in dem man Katzen sieht, ja. Auf eine unmöglich, damals als unmöglich empfundene Art. Aber ich habe ganz stark damals ein Gefühl bekommen für diese Bilder, nämlich als lebendige Bilder und nicht als Totgeburten. Und dann waren es Retrospektiven von Marker, soweit er damals Filme gehabt hat. Ich habe sicher seine wichtigsten Filme nicht gesehen, diesen einen, wo er von einer Reise nach Moskau Photos montiert, oder solche Sachen. Das waren die Filme von Rouch, wo mich fasziniert hat, wo er gesagt hat – wenn ich sie gesehen habe, vor allem in seinen längeren Arbeiten, dieser eine Film, der irgendwo in Senegal entstanden ist, wo er Vorbereitungen, dann das Zusammenkommen zu einem Fest gefilmt hat, wo die Leute 7 Tage lang zugereist sind aus der Gegend zu diesem Fest – wo er gesagt [hat], ihn interessiert sozusagen der Augenblick der Extase und wo mich fasziniert hat die Tatsache, daß er filmt, und gleichzeitig die Leute immer in die Kamera agieren also immer den Zuschauer anagieren. Dann war das immer eine zwiegespaltene Sache, weil vom Spielfilm her haben mich immer am meisten interessiert so Leute wie Ozu, mit seinen ganz, ganz einfachen Geschichten und Bildern, so einfach – kenne ich keinen anderen. In seiner raffinierten Aufdeckung der Psychologie die Filme [v.] Buñuel mehrfach, in ihrer wahnsinnigen Suche nach Wirklichkeit die Filme von Godard, auch dieses Spielen mit dem Nachsuchen nach Wirklichkeit wo man ständig alles in Frage stellt oder wieder nicht. Im sogenannten dokumentarischen Film, simpel, alle die, zu sehen waren, die sozusagen offene Filme genannt werden konnten. Eher jene Filme, die nicht einer bestimmten Struktur verhaftet waren. Oder sich nicht eine bestimmte Struktur zu eigen gemacht haben und um diese dann sozusagen zu bebildern. Eher jene Filme, die erst durch die Art der Bilder und die Wahl einer Montage, Struktur erkennen ließen. Weil das vorzensurierte Arbeiten heißt immer ein Konzept machen und dann dieses Konzept realisieren. Also wie es im Spielfilm schlechte Regisseure machen, die Schauspieler vor sich haben, ein Drehbuch, eine Szene, eine Figur und dann aus diesem Schauspieler diese Figur machen wollen. Gute Regisseure machen aus dieser Figur einen lebenden Menschen, nämlich diesen Schauspieler. Also simpel, – mir fallen sonst kaum Leute ein, weil ich nur mehr so selten ins Kino gehe und mich sehr wenig mit anderen Filmen beschäftige, weil sie auch die eigene Sicht verbauen. Und früher einfach – klar gibts Vorbilder – und das gibt es eigentlich schon lang nicht mehr. Der Letzte, den es noch gibt, wo ich im letzten Jahr zu einem Freund von mir gesagt habe, der einzige, der mich noch furchtbar quält, ist der Herr Bresson. Der quält mich noch furchtbar. Wobei ich ja dem nichts entgegen setzen kann, weil ich all diese Filme nicht gemacht habe. Die trage ich mit mir herum. Das Projekt, das wir jetzt haben, ist ein Versuch etwas zu machen, wobei die Umstände schon so verquer sind von Anfang an, vor allem die Finanzen, daß der h1.Michael erscheinen muß, um das zu retten. Um es das werden zu lassen, was ich mir vorstelle, wobei ich selber schon weiß, bei dieser Vorstellung, daß das am Ende durchaus anders aussehen kann, als ich es mir heute vorstelle. Nur das wiederum muß man mit sich selber ausmachen, das darf ich nicht dir sagen, wenn du mitarbeiten sollst, ja, oder irgendjemanden. Die sagen: der spinnt, ja, der will da irgendetwas experimentieren, irgendjemand soll es zahlen – aber keine Bank finanziert dir Experimente. Wo du sagst, du weißt nicht, was dabei rauskommt. Wenn die ein Kilo Fleisch bestellen, dann wollen sie ein Kilo Fleisch haben und nicht deine Sage ‘Es könnte vielleicht auch ein Kilo Fisch werden’. Das weiß man nie, sage ich. Das ist irgendwo mein Prinzip im Leben geworden und auch im Arbeiten – ich kann nicht sagen, wann ich aus dem Zimmer hinaus gehen werde, was dann passieren wird. Alles was ich mir dazu vornehme, vorstelle, Terminkalender, irgendwelche Sachen, die ich morgen oder in zwei Jahren machen möchte sind zwar gut gemeinte Vorhaben – aber ob es auch eintritt, weiß ich ja nicht. Das heißt, ganz so einfach ist es auch nicht. So frei fliegt der Vogel auch nicht herum. Da hat es schon Käfige, und die Käfige sind also ganz schön. Und das läßt sich, so wie du sagst, ohne eine Struktur, ohne einen Käfig ja gar nicht leben. Und irgendwo müssen anscheinend Käfige existieren. So wie der Exupéry sagt: Der Mensch braucht einfach feste Gebräuche und das ist etwas, das bei den Bauern mir besonders auffällig war. Weil es da gewisse Bräuche gibt, die würde man oder die spricht man an, als konservative Bräuche, unnötige Bräuche oder längst überholte Bräuche, aber in ihrem Leben sind es ganz wichtige Werte. Die eigentlich nur verstanden werden können, wenn man einer von ihnen ist. Und das Gefühl habe ich immer gehabt, daß ich diese Indianer daoben in den Bergen besucht habe und ich sie nie verstehen werde, nie im Leben. Und wenn ich mich 50 Jahre dahin setzte und mit ihnen lebe und werke und arbeite. Ich kann das nie, einer von ihnen werden. Ich kann höchstens einer von mir werden oder von meinen, aber nicht einer von denen.
S: Na gut. Also ist es eigentlich müßig dich zu fragen, was du unter einem Dokumentarfilm verstehst. Aber vielleicht kann man ein bissel ausmachen, was jetzt ein dokumentarisches Prinzip ist?
P: Das Wort dokumentarisch kommt also her, oder subsummiert, das Dokument. Und wenn ich da beim Fenster hinausschaue, erzeuge ich Dokumente. Die sind zwar flüchtig, wie ein Eindruck flüchtig ist, aber, und der macht sich nirgendwo fest, ich fotografiere das nicht, ich schreibe das nirgendwo auf, ich filme das nicht, ich erzähle dir das gerade und das ist vielleicht schon so ein dokumentarischer Vorgang. Simpel, ein Vorgang des dokumentierens. Das wäre auch derselbe Vorgang, wenn ich so z. B. jetzt, eine Arbeiterbrigade da unten im Garten per Sprechfunk arbeiten ließe: „und jetzt schiebst den Baum 2m nach links und jetzt spritzt’s mit der gelben Farbe einfach über den Baum rüber.“ Ich inszeniere diese Aussicht, ja. Das ist auch eine Form von Dokument oder dokumentarischer Wahrnehmung. Deswegen mein Spruch, es gäbe diesen Unterschied nicht, zwischen Dokumentarfilm oder dokumentarischer Wahrnehmung und inszenierter Wahrnehmung. Weil auch jeder Spielfilm ist ein Dokumentarfilm. Weil im Moment des Drehens ist er Dokument, einer Realität, die zwar unheimlich in ein Korsett gepresst wird und zensuriert wird und was weiß ich was. Alles sozusagen um einer künstlichen Realität Willen getan wird. Indem Moment, ist er dann Dokumentarfilm, simpel, das Dokument der Herstellung einer inszenierten Geschichte. Deshalb bin ich ein sturer Verfechter dessen, was die Lumières gemacht haben und jenes Engländers, wo ich dir gesagt habe, dem – in der Filmkritik gibt es die drei grundlegenden Raster: das sind die Brüder Lumières, die sozusagen den Dokumentarfilm begründet haben das ist der Georges Méliès, der den sogenannten Phantasiefilm entdeckt hat und dann gibt es einen in der Mitte, ein Engländer, der sozusagen wie die Russen auch, die Montage entdeckt hat. Bilder, ja, ich habe dem Schmitt-Reitwein vor 2 Wochen, ein Kameramann, vom Herzog und von anderen, ein Buch gegeben, das besteht aus kopierten Photos. Ich habe einfach Photos gesammelt aus Reisen, die [ich] gemacht habe, und habe einfach auf diese Weise dokumentiert. Um simpel, ein Gefühl zu beschreiben. Um einfach Eindrücke zu beschreiben, die wechseln und gewisser Weise montiert sind, wenn man 100 Photos nimmt und sie einfach in einer gewissen Reihenfolge nebeneinanderlegt und dann drüberschaut entsteht ja der Eindruck einer Reise, eines Weges, von Begegnungen, von Weggehen von Zugehen, von Sympathien, Antipathien, usw. Mit Anfang, mit Ende, mit Dramaturgie. So ist das ganze Leben, wir leben ja nicht anders. Was [wir] selbst da jetzt in 2 Stunden erleben, ist sozusagen, würde man es das Tonband, ist so ein Dokument. Wobei man ja sagen kann, daß, das alles inszeniert ist, auch. Ist ja auch inszeniert. Also brauchen wir von dieser Unterscheidung gar nicht zu reden und sie [ist] nämlich auch eine künstliche Unterscheidung und sie entspricht sozusagen dem Wunsch des Menschen dieses Leben oder diese Wirklichkeit irgendwo in eine Schachtel hineinzuzwängen. Die es nicht gibt. Okay. Aber das war schon sein Ansinnen, Dinge zu ordnen. Weil wenn er den Dingen den Lauf ließe, der Mensch, das hieße, einmal sich selbst den Lauf lassen. Und das geht wieder nicht. Da gibt es dann, kann man bei Freud nachlesen, was es da alles so gibt. Aus der kulturgeschichtlichen Entwicklung der Menschheit. Die festen Gebräuche sind sozusagen, und da gehen wir in die Psychologie, in die Entwicklungspsychologie des Menschen an sich, ganz klar bestimmte Entwicklungsstufen gibt, wobei der Mensch immer eine erledigt haben muß, um in die nächst höhere steigen zu können, wie im Buddhismus einfach die acht Bewusstseinsstufen beschrieben sind, du kannst nicht in die achte komme, wenn du vorher nicht in der 7. warst. Du kannst nicht springen, weil zwingend muß das Kind irgendwann eine Stufe durchleben, damit es sozusagen emanzipiert wird in die nächste Stufe. Weil das ja nicht so ordentlich passiert, sondern auch der Willkür auch der Erzieher oblassen ist, gibt es diese regressiven diese Tendenzen, daß man immer wieder, die Wiederholungszwänge, auf eine frühere Stufe zurück springt, die nicht bewältigt ist. Oder das ganze Charisma der Inkarnation. Des Wiedergeboren-werdens. Das ist ja nichts anderes als ein Symbol dessen, das man sozusagen, solange man es nicht erkannt hat, begriffen hat, hat man daran zu arbeiten. Das ist irgendwo etwas, was in allen Religionen, sich festgeschrieben hat. Und der Film an sich, ist ein Medium sowie es mir seit langem erscheint, der wie alles, was der Mensch kreiert, ein Mittel. Auch ein Mittel, das entstanden ist, in einer ganz bestimmten Zeit seiner Entwicklung. Wo es offenbar eines nahezu lebendigen Spiegels bedurft hat, damit man sich widersehen kann. Das ist besonders deutlich geworden in den 70er Jahren, wo die Video-Sachen aufgekommen sind. Diese Spiegelungstechnik entstanden ist. Da wo es um Randgruppen gegangen ist, um Selbstbewußtsein, um Selbstfindung, um Identität, und solche Sachen. Und der Film ist das in hohem Maße. Er zeigt, zeigt dir immer ein Spiegelbild. Aber da müßte man natürlich viel deutlicher, müßte sagen, daß z. B. ‘Himmel und Erde’ sowohl mein Spiegelbild ist – ich habe den Film vor drei Wochen, in Salzburg gesehen und war betroffen, wie ich jetzt dem Freund, der mich eingeladen hat, gesagt habe, ich war betroffen, weil ich habe ihm auch gesagt, „ich verstehe das nicht, warum ich das gemacht habe oder daß ich das gemacht habe.“ Das ist so – ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Das muß ein Wahnsinns-Akt gewesen sein, da muß ich irgendwo über die Berge geflogen sein, so wie der ...
S: Also in diesem Film – am Film interessieren mich im besonderen alle die Szenen, wo Arbeit zu sehen ist. Wo die Leute arbeiten, und das zieht sich ja mehr oder weniger durch den ganzen Film. Durch fast alle Bilder. Meine Frage ist jetzt die, ob du noch bei den Filmarbeiten, bei der Montage, ob du dir da überlegt hast., zu dem und dem Bereich fehlt mir noch was, da muß ich noch nachdrehen oder so?
P: Es fehlt vieles in dem Film. Heute noch. Und es auch passiert, daß während der Montagezeit, während dieser 2 Jahre ich x-mal oben war und bestimmte Sachen, bestimmte Handlungen gesucht habe, ja. Ich habe sie aber weniger gesucht nach dem Aspekt, daß z. B. das Aufstellen eines Zaunes gefehlt oder das Verkaufen eines Schweins oder das Schlachten eines Tieres oder das Kehren eines Kirchenbodens. Sondern was ich gesucht habe, waren Gefühle, war Ausdruck von Gefühlen. War Ruhe, war Müdigkeit, war Aggression, war Sich-zur Wehr-setzen, war Ohnmacht, Macht. Abhängig sein, sich entziehen, sich distanzieren, zusammenrücken – solche Sachen. Sinnbilder dafür, also, simpel, Realisation für Gefühle. Also ich habe eigentlich umgekehrt machen wollen, wie im Traum, deshalb hat für mich der Film sehr stark traumhaften Duktus, oder macht auf mich einen sehr stark traumhaften Eindruck. Bestimmte Gefühle in Bilder übersetzen. Ich bin dort herumgegangen, sozusagen mit geschlossenen Augen und habe immer, bin immer bestimmten Gefühlen gefolgt, und habe ihre Entsprechungen draußen gesucht. Oder habe sie erwartet - das war dann so, daß sie da waren. Das hat sich einfach gezeigt, manche andere waren nicht da. Da gibt es richtige Listen von Sachen, die du, glaube ich, gelesen hast, was nie eingetreten ist, wo ich nie dazu kam und das ist nie passiert, das war auch nicht gefilmt. Und das war im Prinzip nicht zu inszenieren. Also [kam] ich nicht dem zu sagen: „Du paß auf, ich brauche, wenn du deinen Motor reparierst.“
S: Ruf mich an, wenn du den Motor reparierst.
P: Ja. Das nicht. Sondern, wenn er den repariert hat, dann war damit ein ganz bestimmtes Gefühl damit verbunden, und das wurde dann so gedreht, daß dieses Gefühl sich vermittelt. Das heißt um es radikal zu sagen, ich bin also weit entfernt davon, in irgendeine Schachtel mich zu legen. So wie das ja auch irgendwo geschrieben worden ist zu dem Film – das ist kein soziologischer Film, das ist keine soziologische Bestandsaufnahme, keine ethnologische Bestandsaufnahme, keine volkskundliche, keine politische – es ist [etwas] ganz anderes. Es paßt eigentlich nirgends hinein deshalb läßt sich der Film so schwer verkaufen. Es hat keine Etikette, wenn ich ganz unscheinbar sagen würde: es ist simpel ein ganz persönlicher Bericht einer Reise in die Berge und eines Aufenthalts in den Bergen. Meine Bilder! Klar – und deshalb sage ich ja, der Film ist noch lange nicht so rein, wie ich versuchen möchte, viel mehr rein zu machen. Klar ist da jemand mal da gesessen, ein guter Freund vom ORF und hat gesagt: Du weißt, bei dem Film mußt du einen Kommentar machen, das verstehen wir nicht, wenn wir es kaufen wollen. Und ich damals in der Situation, daß ich den Film verkaufen mußte, damals hatte ich ihn noch nicht fertig geschnitten. Da habe ich mir überlegt, wochenlang, monatelang: muß ich einen Kommentar machen, ich will eigentlich nicht, die Bilder sind so alleine genug und die Sprache. Und heute bin ich froh, daß ich diesen Text dazu genommen habe obwohl viele Leute sagen, das widerspicht oder das ist zu viel. Egal, egal. Das ist es, ja, das ist es. Ich glaube nur, die Schwierigkeit hat sich auch z. B. da gezeigt, daß bevor der Film gemacht wurde, ich unheimlich viel hab’ reden können mit sogenannten Linken, mit wirklich tief überzeugten und tätigen sogenannten Linken aus allen möglichen Bereichen des öffentliche Lebens. Kaum war der Film fertig und die haben ihn vereinzelt gesehen, habe ich mir gedacht: das sind die ersten, die abspringen. Dagegen haben sich sogenannt öffentlich deklarierte Rechte als so intelligent erwiesen, daß sie mit mir darüber geredet haben und ich gemerkt habe, das sind eigentlich die sogenannten Linken. Und dann war das Phänomen zu beobachten, Menschen die für sich emotionell und handgreiflich arbeiten, ja, arbeiten können im Leben, daß die mit dem Film keine Schwierigkeiten haben. Alle die Menschen, wie z. B. der Pfarrer aus St.Anna, die sozusagen nur ein ausbeuterisches Verhältnis zu anderen Menschen leben, andere arbeiten lassen, damit sie nichts tun brauchen, die haben den Film nicht gerne. Die haben Schwierigkeiten mit dem Film. Das ist für mich eigentlich irgendwo das Entscheidende, um selbst das zu erkennen, was ich da selber gemacht habe. Weil ich bin diesen Pfad schon weiter gegangen, und das Film Projekt, das ich jetzt mache, ist für mich heute, was in der Zwischenzeit immer wieder anders ausgesehen hat, und ich den Konnex nicht so leicht gefunden habe, das ist eine ganz klare Fortführung dessen, was mir in den Jahren bisher passiert ist. Und wieder das, was ich schon einmal gesagt habe, ich glaube, daß wir alle so leben, daß wir sozusagen ständig in Schwingungung sind und irgendwann werden von diesen Schwingungen Teile manifest. Zeigen sich dann in irgendwelchen Äußerungen, in Werken, in Filmen.
S: Also was du jetzt erzählt hast, insgesamt, daß ist auch das, was du einmal gesagt hast in einem der Interviews, die ich gelesen habe, wo du gesagt hast, du hattest den Film wie einen Spielfilm montiert. Oder was du damit gemeint?
P: Ja, ja. Das ist eine Undeutlichkeit. Genau müßte das so heißen: Wenn ich von Spielfilm spreche, im Unterschied zum Dokumentarfilm, dann spreche ich schon von etwas, was es für mich nicht gibt, aber wenn ich Spielfilm meine oder wenn ich gesagt, [daß ich versucht habe] diesen Film [zu] montieren wie einen Spielfilm – oder ich kann es anders sagen. Ich habe mich in vielen politischen Debatten mit dem Bürgermeister von Wien, dem Zilk, darüber geredet, daß, es sinnlos ist, weil ich für ‘Himmel und Erde’ ein Restgeld für die Finanzierung gebraucht habe – und die in den Statuten der Wiener Filmförderung die Förderung von Dokumentarfilmen verbieten. Da habe ich gesagt: Ihr spinnt. Jeder Mensch weiß, daß es wurscht ist, woher die Bilder kommen, die auf der Leinwand erscheinen. Wichtig ist nur, was das ist, was auf der Leinwand erscheint, für den Zuschauer. Auch im Brechtschen Sinne oder im Bressonschen Sinne bin ich ein Anhänger jenes Kinos, das sozusagen nicht die Gefühle auf der Leinwand inszeniert, sondern auf der Leinwand Handlung inszeniert, so gefühllos wie möglich, damit der Zuschauer sein Gefühl, im emanzipatorischen Sinne auch im Sinn des Subjekts als Zuschauer erleben kann. Alle faschistoiden und machtgierigen Filme drücken dir alles, was in der Welt überhaupt noch aufbietbar ist, auf die Leinwand. Und der Zuschauer sitzt nur mehr da und macht ugh! und stirbt den qualvollen Tod des Ohnmächtigen.
S: Man könnte eigentlich sagen, daß würde ich so sagen, weil ich auch so vorgehe, du bist ja bei den Recherchen und allem anderen Drumherum durchaus wissenschaftlich vorgegangen. Das Endprodukt ist aber genau das Gegenteil einer wissenschaftlichen Arbeit, nämlich das, was bei der wissenschaftlichen Arbeit immer ausgespart bleibt.
P: Das ich so vorgegangen bin, hat nichts damit zu tun, daß ich wissenschaftliche Ambitionen hätte.
(Ende der Kassettenseite 2)
(Beginn Kassettenseite 3) Es ist nicht so, daß ich bei der Vorbereitung und Erarbeitung dessen, was dann ‘Himmel und Erde’ geworden ist, wissenschaftliche Ambitionen gehabt hätte, sondern es war irgendwo eine zwanghafte und in Resten noch immer andauernde, zwanghafte Verfahrensweise. Ich glaube, daß es jedem Menschen mehr oder weniger so geht. Die Angst vor dem, was wirklich ausgedrückt werden kann, und es sich darstellt, ist speziell in Kulturen oder Gesellschaften, wo die Aggression tabuisiert ist, viel größer als in Kulutren, wo die Aggression fast selbstverständlich ist, z.B. in der amerikanischen Kulur. Und man braucht [das] z. B. nur zu vergleichen auf der ökonomischen Ebene und anschauen, wie die Amerikaner wirtschaftlich so erfolgreich sind. Oder so mächtig sind – das hat einfach mit dem Aggressionspotential zu tun, das sie äußern, äußern können. In anderen Kulturen, speziell in St.Anna unter diesen Bauern da gibt es überhaupt keine Aggressionen. Da gibt es nur Autoaggression, die bringen sich selber um. Schweigend oder in dem sie sich am Sonntag Vormittag vor dem Haus das Hirn herauspusten. Ich war über lange Zeit ein gespaltener Mensch. Auf der einen Seite hatte ich furchtbar Angst vor dem wirklich persönlichen Ausdruck, und deswegen ist dieses ‘Himmel und Erde’ so, in meinen Augen, eine persönliche Geschichte geworden. Auch eine persönliche Geschichte zwischen mir und den Menschen da oben in den Bergen. Auf der anderen Seite ist diese wissenschaftliche Ambition, die Geschichte möglichst bis ins letzte zu analysieren, zu beherrschen. Eine Ambition, die eigentlich nichts anderes, glaube ich, auf der Ebene der Gefühle bedeutet als zu beherrschen, zu kontrollieren. Den Ausdruck zu kontrollieren. Deshalb hat mich das interessiert, was der Kratzer erzählt hat über die Vulkane, deswegen hat es mich interessiert, daß der Kratzer genau so unglaublich fasziniert ist, gerade von solchen Geschichten wie Vulkanen oder den Gestirnen. So, so spinnerten Sachen, weil das natürlich ein sehr schönes Symbol ist dafür, das ist eigentlich weniger ein Symbol, sondern eine Handlung, die stellvertretend steht dafür, was gefühlsmäßig sowieso Wirklichkeit ist, aber aus bestimmten Gründen tabuisiert ist.
Z. B.: Ich könnte dir an einem einfachen Beispiel vielleicht illustrieren, worum es mir geht. Woraus z. B. mir Schwierigkeiten geraten die dazu verführen, sozusagen, daß ich bemüht bin, bevor etwas geschieht, es so genau vorzubereiten, daß es nur in diesem Sinn geschehen kann, wie ich es geschehen lassen möchte. Wenn ich z. B. an diesen Spielfilm denke, den ich jetzt vorhabe, sehe ich ihn in einer ganz bestimmten Weise, weil ich ein Mensch bin, der Bilder sieht. Und ich sehe ganz bestimmte Bilder. Diese Sicht, oder diese Haltung, die sich ja durch diese Sicht ausdrückt, ist eine bestimmte Haltung. Inzwischen ist das eine Haltung, die, wie ich bemerkt habe, auch auf Grund der Reaktionen auch auf diesen Film hin und auf etwas anderes was ich gemacht habe vor etwa Wochen in Wels, bei den Welser Filmtagen, nämlich ein Video-Band von 90min in 4Tagen und 23 Stunden Schnitt, daß diese Haltung Angst erzeugt bei anderen, Abwehr erzeugt, den Wunsch nach Kontrolle produziert. Auch wie in Wels, bei diesem Video-Band, das Gefühl oder den Wunsch nach Liquidation erzeugt, nach das will-ich-nicht-haben, und so. Weil ich mich inzwischen so weit befreit habe von zwanghaften Haltungen und zwanghafter Anschauung von Verhältnissen und von, auch eigenen Bewegungen, daß ich natürlich, würde ich sagen, mit dem, was ich mit den Bildern machen kann, weiter bin als das, was ich als lebende Figur mache oder machen kann. Das ist die Kunst im eigentlichen Sinn immer gewesen. Die Kunst hat immer sozusagen sich näher an Es herangewagt, als die Menschen es getan haben. Weil als Mensch hast du immer noch mit einem Körper zu tun, der verfällt, irgendwann und du weißt, du stirbst und alles was sozusagen dinghaft und materiell und die Sache erschwert, nicht die Sache erschwert, sondern die Angelegenheit erschwert, ist eine Angelegenheit, die es in meiner Anschauung zu überwinden gilt. Wenn es uns nicht gelingt, diese Schwere zu überwinden, sozusagen leicht zu fliegen oder wenn es uns nicht gelingt an Stelle der Dinge das Licht zu sehen, wobei die Dinge ja nur unter dem Licht sichtbar werden, wenn wir also immer nur die Dinge sehen, werden wir an diesen Dingen zu Grunde gehen. Die einzige Möglichkeit sozusagen zu überleben und damit auch in einem übertragenen Sinn ewig zu leben, auch im Sinne dessen, was ich in dem Interview mit dem Portugiesen gesagt habe am Schluß: von der Energie, dieses Bild der Energie, die materielos, ewig zeitlos unendlich rotiert, gibt es nur die eine Lösung. Alles zu versuchen, [um] über diese Dinge und diese dinghaften Verhältnisse hinauszukommen, über diese materiellen Verhältnisse hinauszukommen. Das hat etwas, wenn ich mit Bildern zu tun habe oder mit Anschauung, dann hat das ewtas mit Licht zu tun. Ich meine, du brauchst dir ja nur die Kunst anzuschauen, wieviel, oder simpel, Menschen, die etwas dargestellt haben, das kann auch Jesus Christus sein, als Beispiel, der ja überhaupt nichts in diesem Sinne künstliches gemacht hat, daß er überlebt hätte, der hat überhaupt nichts gezeichnet oder aufgeschrieben oder so, der hat nur im Affekt agiert. Einer der lebendigsten Menschen sicher. Ein andere Frage ist, was in der Überlieferung davon übrig geblieben ist, was da an Zensur passiert ist. Dieses Ängstliche, das ist so, wie wenn Kinder in dunklen Räumen sind, auch bei Erwachsen in dunklen Stiegen. Manchmal gehe ich hier über die Stiegen runter, wenn ich später am Abend fertig bin mit der Arbeit und manchmal denke ich mir, jetzt steht da irgendwo einer. Und dann denke ich mir, daß das absurd ist. Wenn jetzt wirklich in 2Sek. einer auf dich zutreten würde, würdest du reagieren, aber die Angst davor – ich will gar nicht weiter gehen, was das alles sozusagen im Leben von Menschen erzeugt, an Handlungen und an Haltung bestimmt und woher das rührt, ja. Das ist eine eigene Geschichte, die jeder mit sich mehr oder weniger fertig ausmacht. Bei ‘Himmel und Erde’ oder bei diesen Menschen in St. Anna ist mir aufgefallen, daß sie in meinen Augen fast so wie Engel sind, die leben auch so. Die Engel sind sozusgaen die Mittler zwischen Gott und den Menschen. Und laufen auf Leitern von der Erde zum Himmel und zurück. Ich habe ein wunderschönes Buch über Engel, wo alle Mythen und Geschichten die greifbar sind, verzeichnet sind. Und so sind mir diese Leute vorgekommen, eigentlich wie Kinder, die nur leider Gottes in einer Welt leben, die so materiell ist, daß diese Engel da oben ja zu Grunde gehen müssen. Wenn es ihnen nicht gelingt, etwas hinüberzuretten. Es wird auch überhaupt nicht verstanden, was die leben. Und sie haben einen ganz gesunden Hausverstand, der es ihnen sozusagen verbietet woanders hinzugehen. Dort haben sie, nichts verloren, dort gibt es auch nichts zu finden. Und von diesem Gefühl her, von diesem, wie ich es nenne, religiösen Gefühl her, daß sich also nicht an den Dingen festmacht, und nicht an den Erscheinungen, sondern an dem, was sich sozusagen jenseits der Generationen, hinter all den Menschen, hinter all den Geschichten, die es da gibt, verbirgt, dem fühlen sie sich verbunden. Das ist eine Haltung, die schon sehr viel damit zu tun hat, was also wirklich in der Kunst manchmal durchsichtig wird. Wenn man z.B. Selbstporträts von Rembrandt anschaut, was da eigentlich zum Vorschein kommt. Oder die Bilder von Vermeer oder Musik. Das ist aber so schwer handelbar, weil es muß jemandem Angst machen, der sozusagen nichts anderes machen kann, als sich mit den Dingen zu beschäftigen. Wenn der nicht jeden Tag irgendwo hingreifen kann und damit das Gefühl hat, daß er lebt und überlebt und er kann sich sicher fühlen. Wenn der nicht jeden Tag sein Haustor zumachen kann und fortgehen und ins Auto einsteigen, ja, alle diese Dinge, wenn das nicht ist, wenn man ihnen den Teppich wegzieht, was bleibt dann über: gar nichts. Pure Angst. Und der Terror, weil das verteidigen sie ja dieses Eigentum, diesen Besitz, diese Dinge verteidigen sie. Ja, da geht es um alles. Das geht wieder ganz genau in die Richtung, was der Marx gesagt hat und was Freud gesagt hat oder nicht nur was sie gesagt haben, sondern was sie sozusagen wahrgenommen haben. Beides zusammen ist eigentlich – den Freud halte ich für einen der größten Künstler, wirklich. Das nicht nur ein Mediziner, das war ein Künstler. Selbst wenn man die Schriften von Freud [liest] und das ist so, wie wenn man Laotse oder irgendetwas, wie wenn man die Bibel liest, das Neue Testament. Wenn, dann sind da Geschichten zwischen den Zeilen angelegt und es kommt darauf an, wie man sie liest. In welcher Verfassung du sie liest, was du gerade aufnehmen kannst, wo du unbewußt deine Blockaden machst und wo du womöglich etwas durchlässt. Der Film ist halt ein Medium, das lange noch nicht so gehandelt wird, es gesehen und gearbeitet wird. Wie es sein wird, einmal. Es wird ihn auch einmal nicht mehr geben, dann wird es etwas anderes geben.
S: Es gibt ganz am Anfang im ersten Teil, und im zweiten Teil wiederholt sich das, etwas, ich wirklich unheimlich schön finde. Das ist die Szene, wo der eine Bauer, wie er heißt, weiß ich jetzt nicht, gefragt wird, – Nein, wo du sagst: Jetzt würden wir gerne ein Porträt von ihnen machen, wo sollen wir das maqchen, wann, wie soll das Wetter sein etc. Also ich habe vermutet, daß diese Szene auch drinnen ist, um zu zeigen, wie bestimmte Bilder entstehen. Um dem Zuschauer durchsichitg zu machen, wie bestimmte Bilder entstehen. Das könnte ich mir wirklich öfter anschauen, das finde ich sehr schön.
P: Mh,mhm. Das seltsame war bei diser Szene, ich hatte also große Probleme mit diesem Kameramann, weil ich habe das zu spät bemerkt, daß er eigentlich ein inszenierender Kameramann ist, und einer, der viel Zeit braucht, der Material braucht, viel Licht braucht um seine Bilder zu bauen. Also das ist überhaupt nicht ein Kameramann gewesen, der ad-hoc, hier und jetzt etwas realisieren konnte. Bevor wir mit diesem Bauern, den kannte ich da schon sehr gut, bzw. wir kannten ihn gemeinsam sehr gut schon, weil wir oft bei ihm waren und er einer der Geradlinigsten ist, dort. Gerade ihm ist es passiert, daß sein Sohn ihn hinausgeworfen hat voriges Jahr, und er lebt heute allein bei einem anderen Bauern mit seiner Frau, hat geschworen er ginge nie wieder zurück auf seinen Hof, weil er sich mit seinem Sohn so zerkracht hat, gerade ihm muß das passieren. Aber, er war wirklich eine, eine edle Figur, spürbar von Anfang an. Er hat also ganz klare Augen, ganz klare Augen, Das ist das aufälligste, daß sie so klare Augen haben da oben, also den Blick. Und da habe ich dem Kameramann gesagt, aus dem Wissen heraus, daß er nicht weiß, wie wir das Drehen können, ja, und ich habe die Kamera nicht gehabt, weil, wenn ich drehe, weiß ich [das] ich drehe und das kann ich unterschreiben mit meiner, Blut, ja. Der Kameramann oder viele Kameraleute können das nicht, weil sie ständig in der Abhängigkeit zu dem, der ihnen einen Auftrag gibt, etwas zu machen, leben, und sich ständig fragen, ist das gut oder schlecht, aber nie so autark oder selbstständig ihre eigenen Bilder machen. Weil die kennen sie gar nicht. Und ich habe zu ihm gesagt: „Wenn du’s nicht findest“, weil er dauernd rumgeschwenkt hat, bei den Tests, bei den Materialien, die ich ihn habe verdrehen lassen, um ihn ganz einfach einüben zu lassen, „wenn du es nicht findest, dann halte einfach die Kamera einmal eine Stunde lang hin und schau, vielleicht erscheint es dir dann vor dem Auge“. Und dort habe ich gesagt, „weißt was“, spontan, wir sind raus gegangen von der Küche, haben gesagt, wir stellen uns „auf in die Sonne und jetzt werden wir was probieren“, habe ich zum Bauern gesagt. Und dem Helmut habe ich gesagt: „weißt was, und das Gnze drehen wir jetzt amerikanisch!“ Dann hat er mich angesehen: „Was heißt amerikanisch?“ Bei ihm ist der Computer losgegangen und er hat allemöglichen Fächer durchgechekt, was kann er meinen mit amerikanisch? Und ich habe gesagt, einfach so, einfach so! Dann habe ich gesagt „so fang an, und dann machen wir es gleich.“ Und darin hat er das gedreht und das ist eh von seiner Art noch etwas von dem wenigen, was wirklich zu behalten war, weil es wirklich so, so formlos ist, einfach so gefilmt. Das ist auch irgendwo das schöne daran. Und das Gespräch mit ihm war mir schon lange vorher klar, daß ich so etwas wollte, einmal, weil, klar, es ging darum, auch im Film selbst zu zeigen, daß das, was der [Devereux] meint, von Übertragung und Gegenübertragung, daß das bei jeder Wahrnehmung und Betrachtung der Verhältnisse oder des anderen, eine große Rolle spielt. Daß das ja auch bei dieser Arbeit eine Rolle spielt. Und da kommen wir zum Devereux überhaupt, der also ein Motor dieser Geschichte war. Der mir vom Fredi Murer genannt worden ist, den kannte ich vorher nicht, und ich einen Weg gesucht habe oder eine Möglichkeit, da beim Film selbst es durchsichtig zu machen, daß nicht diese idiotische und ich würde fast sagen, zwanghafte Sucht nach der Objektivierung das Ziel sein kann, sondern genau das Gegenteil. Daß ich nur sagen kann: „Ich mit der Hose, mit den Schuhen, so wie ich heiße und Geschichte habe, wie ich jetzt mich fühle, stehe da, und ich rede und sage dir etwas. So erkennst du mich, wobei ich gar nicht weiß, wie du mich erkennst, ich sehe mich nur in dir als Spiegel, ja und so kann man das einfach abspielen. Das ist mir als eine Möglichkeit erschienen, um das einfach zu zeigen. Erstens um uns zu zeigen, weil man sieht ja nicht nur mich, weil man sieht auch die Kamera, ja, die sieht man in dieser seltsamen, formlosen Dreherei, man sieht auch den Georg hinten mit der Filmklappe gehen, der gehört offensichtlich nicht zum Hof, sondern zum Team, wie er da gelangweilt rumsteht, herumgeht. Man sieht irgendwo zwischendurch die Frau, und man fragt ihn: „Ja, also wir wollen ein Porträt machen, wie stellen sie sich das vor?“ Wobei man das ja, das ist eine unheilmlich raffinierte Szene, wobei man ja das, gleich filmt. Es ist ja nicht so, das haben wir dann auch gefilmt, daß ist kurz einmal drinnen mit verschobener Ton[ebene], wo die dann wirklich am Sonntag, da sind dann drei Tage später haben wir das gefilmt am Sonntag Vormittag. Wo sie runter gegangen sind und da sind sie ewig gestanden vor der Kamera, und habe ich das Material durchgelassen, weil das einfach so schön war. Der Berg, der Hof, der Hund. Weil das hat mich also am meisten geschmerzt bei allen Filmen, die ich sonst gesehen habe früher, daß sie diesen Anspruch hatten, sozusagen die Verhältnisse zu objektivieren, daß das fehlt, simpel die Erfahrung den Machern selbst gefehlt hat, daß sie als Subjekt ja da sind.
S: Du hast angefangen, ich weiß nicht wieviel Leute das waren, auf jeden Fall ein Team...
P: ...fünf ...
S: ... fünf, nachher seid ihr aber nur mehr zu zweit gewesen, weil das offensichtlich nicht geklappt hat.
P: Ja, aus mehreren Gründen, mit dem Kameramann ist es nicht gegangen, obwohl es in den Gesprächen, sozusagen abstrakt, im Gegensatz zu der Wirklichkeit in den Bergen, da in Wien, scheinbar ganz gut gegangen ist, da gab es noch gewisse Konzeptionen von starren Bildern und so, wozu der sicher gut gewesen wäre. Aber oben war das dann einfach nicht zu realisieren. Das war sozusagen der erste Schritt der Erkenntnis, so wie [ich] überhaupt sagen würde, der Film hat mehrere Ebenen, auf denen er entstanden ist und hat die vorhergehende abgelöst. Da war einmal die Idee dazu, das Konzept im Hirn. Das ist dann aufgeschrieben worden, ein Konzept am Papier verfaßt worden. Dieses Konzept am Papier hat einmal das korrigiert, was Hirn gewesen ist, wie jedes Schreibmaschine schreiben ja eine Korrektur des Denkens ist, weil jetzt muß es schon in eine Form gepreßt werden. Und dann gab es die Recherche, das Nachsuchen nach den Drehorten, alles das, was ich dir erzählt habe von den Ängsten und den Wünschen, bis dahin zu kommen, das man das Gefühl von Heimat haben kann. Das hat wieder das schriftliche Konzept verändert. Völlig neue Voraussetzungen geschaffen. Dann das erste Begehen, dann das Beginnen des Drehens. Was wieder ganz anders ausgesehen hat, als nur dort sein und zuschauen, einmal beobachten. Und dann, das Material hier in Wien, völlig fern von dort, auf einem Schneidetisch hier zu sitzen, mit dem Gesicht an die Wand, und ständig eigentlich diese Welt da vor mir zu haben, an der Wand und ständig eigentlich, zwei Jahre lang, mit der Sehnsucht hier zu sitzen, eigentlich da oben sein zu wollen, aber hier sich mit dem Material abzuquälen. Und das ist sozusgaen auch eine künstlerische Aufgabe, die Aufgabe Darstellung, wenn sie so in die Richtung der Kunst geht, muß man – die Kunst hat wirklich nur dann einen Sinn, und passiert auch sozusagen nur dann, wenn man in einer Form von Sublimierung eine, auch eine Arbeit ist, so habe ich das vorher gemeint, eine Arbeit ist, die versucht jenseits der greifbaren Realität eine Realität herzustellen. Also auf jeden Fall ein sublimer Akt, so wie bei Freud die Kluturleistung nur über die Frustration funktioniert, über die Enttäuschung. Heute versteh ich auch den Begriff und das Sinnbild Enttäuschung ganz anders als früher. Ich habe immer geglaubt, Enttäuschung heißt, da bin ich jetzt dann deprimiert, heute sage ich es umgekehrt. Enttäuschung heißt, diesen Täuschung einmal nicht mehr aufsitzen zu müssen. Endlich einmal sehen und den Durchblick haben wie es wirklich ist. Da bin ich froh, daß ich enttäuscht bin, sozusagen. Am Schneidetisch dann sizusagen das ganze Material, daß gedreht worden ist, wo es sozusagen erlebt worden ist, diese ganzen realen, körperlichen Erfahrungen, abstrahiert wurden auf ein Material, simpel auf Film und Ton. Und da wieder eine eigen Gestalt geworden ist, die ganz anders war, was eine furchtbar schmerzhafte Arbeit war, weil ich meinen Körper in den Bergen transportieren [mußte] auf einen metallischen Schneidetisch in Film und Ton. Und dann die letzte Stufe, war sozusagen der Film auf der Leinwand. Wo alles, was vorher war wieder relativiert wird, wieder korrigiert wird auf ein ganz anderes Erlebnis hin. Und das ist bei dem Film wirklich gelungen, das habe ich mit einer Sturheit, wie meine Schwester mir schon einmal gesagt hat: „so stur wie dich kenne ich niemanden, schon als du klein warst“; Sie ist ein Jahr jünger als ich. „Wenn du etwas nicht wolltest, dann wolltest du es nicht, da hat man sich tagelang bemühen können. Oder umgekehrt auch.“ Das ist irgendwo dabei gelungen. Das glaube ich, vermittelt sich auch den Zuschauern, zumindest, soweit ich davon erfahre auch in den Gesprächen, auch in Salzburg da, vor drei, vier Wochen. Das spürt man, daß dieser Prozess passiert ist. Und diese fünf Mitarbeiter auf 2 reduziert, war einfach eine Folge auch von Erfahrungen, jenseits der technischen und organisatorischen Veränderungen, vor Ort und das Einsehen, daß gewisse Sachen einfach nicht gehen, waren das natürlich auch Erfahrungen, die ich forciert hatte, und forcieren mußte. Ich habe dann sozusagen sehr autoritär im Sinne der Arbeit bestimmte Ungenauigkeiten bestraft. Also ich war strikte dagegen oder ich würde sagen heute, ich bin strikte dagegen, daß was bei Filmemachern unter ‘Film Machen’ häufig der Fall ist, daß die Leute, die da mitmachen, glauben, ‘Hurra’. Ich sage ganz das Gegenteil, Filmmachen ist so wie 1996 am 15. Dez. in die Kirche gehen. Das ist Filmemachen. Sich in eine Haltung versenken, die es einem ermöglicht wirklich den Durchblick zu kriegen und den kannst du nur kriegen in dem du dich wirklich versenkst. Da mußt also alles wegfallen, da kannst du keine Kassetten vom James Brown mitnehmen, du kannst nicht im bürgerlichen Restaurant essen wollen, dort möglichst Cordon Bleu und gefüllte Kalsbsbrust, sondern das ist wurscht und wenn du mal 7 Tage lang nichts frißt. Dann ist das ratsamer und hilfreicher als wenn du pausenlos dich dorthin begibst, wo es dir genußvoller erscheint. Also ich war ein strikter, was mich selbst auch betroffen hatte, weil ich mich sozusagen auch selbstkasteit habe dabei, anders wäre das auch nicht gegangen, ein Verfechter der Frustration, des Frustrationserlebnisses. Ich habe ganz genau gewußt, daß war sozusagen theoretisch vorgebaut und praktisch schon erfahren vorher, dann dort vor Ort, hier und jetzt ständig erfahren. Ich habe ganz genau gewußt, wir schaffen das nur, wenn ein Höchstmaß an Frustration passiert. Simpel, im Sinne der Absage an das Lusterlebnis bei dieser Arbeit.
S: Ja, das ist ganz klar, daß man das nicht mit einem Kameramann machen kann, der normaler Weise fürs Fernsehen arbeitet. Dementsprechend traditionelle Bilder macht.
P: Ja. ja.
S: Es würde mich noch interessieren, ob die Bauern, die du gefilmt hast und bei denen du ja sehr lange warst, ob die deine Arbeit als gleichrangig mit ihrer, als richtige Arbeit deinerseits, akzeptiert und begriffen haben?
P: Vielfach schon, ja. Denn ich habe sehr rasch begriffen, auf Grund der Scheu der Menschen und auf Grund der aus ihrer Geschichte begreifbaren Scheu vor Fremden und der Scheu sich darzustellen, zu zeigen und auch aus ihrer eigenen Geschichte zu Hause, in der Familie, im Dorf und aus den Traditionen, aus den Werten, die dort gelten, aus dieser Scheu heraus sich darzustellen, auch aus diesem Hang sich nur im Sonntagsgewand darstellen zuwollen, was im Film selbst gerade in dieser Szene zum Ausdruck kommt, wo er sich am Sonntag darstellen möchte vor der Kamera, daß es darum ging nicht darzustellen. Der eigentlich ideale Fall von Erziehung von Kindern, wo es nicht darum geht, sie mit Worten zu etwas zu zwingen oder zu verführen, sondern du einfach nur das gute Beispiel sein brauchst und sie brauchen nur nachzuahmen wie es geht und dann gehts. Und das war so, daß wir das gemacht haben, ich war da besonders dahinter, die anderen haben das nicht ganz so begriffen, die sind einfach dem Beispiel gefolgt, das hat auch funktioniert. Ich habe einfach, wir haben mit den Leuten geredet, über alles mögliche, und dabei habe ich sie nicht in der blöden Manier ausgefragt, sondern habe von mir erzählt, über mich berichtet, über meine Arbeit, über das Filmen.
S: Ist es richtig, daß du daoben auch geheiratet hast?
P: Nein, aber in der Kirche von Seckau. Aber das ist nicht ganz – der Pfarrer war in Seckau in der Schule und meine Frau ist aus Kärnten und war in Seckau auch eine Zeit lang, hat dort Verwandte, und ... nein, nein das stimmt nicht ganz, aber es hat etwas damit zu tun. Irgendwo, aber nicht direkt.
S: Dann würde mich noch interessieren – Mensch – ich habe noch so viele Fragen. Naja, ich seh schon, wenn ich wieder in Wien bin, bin ich wieder da. Aber das dauert noch ein paar Monate.
P: Wieso, wann fährst du weg?
S: Ich fahre am Montag nach München, um den nächsten Regisseur zu treffen. Aber es sieht inzwischen so aus, daß ich das Gefühl habe, über deinen Film alleine könnte man schon drei Sachen schreiben.
P: Na eben, ja.
S: Ich habe jetzt vier, davon werde ich mich vorallem auf deinen Film konzentrieren und die anderen drei nur vergleichend hinzunehmen. Vor allem...
P: Was hast du denn für ein Ziel oder Umfang?
S: Was meinst du?
P: Umfang, Ziel oder Zeit der Arbeit?
S: Du meinst ob es zeitlich limitiert ist?
P: Ja.
S: Ich will in den nächsten zwei Jahren darüber schreiben. Ich glaube schon, daß es solange dauert. Es dauert noch ein paar Monate um zu recherchieren und mich einzuarbeiten und dann möchte [ich] anfangen zu schreiben. Und mich interessiert vorallem der Aspekt der Arbeit, wie Arbeit dargestellt ist, obwohl ich inzwischen schon wieder – ja das ist etwas – ich will in meiner Arbeit keine filmtheoretische Fragestellung verfolgen, eine, die vorallem filmtheoretisch ist, denn da schreibe ich dann 6 Jahre lang daran, bis ich mich da erstmal einarbeite. Es soll schon eine volkskundliche Fragestellung sein. Und da ist es vor allem Arbeit. Die Arbeit der Bauern hat ja unmittelbar mit dem Leben zu tun, das ist das Leben dort, von daher ist es das, was nahe liegt. Also vor allem, wie das im Film gezeigt wird und welche Sachen da drinnen sind, die in einer wissenschaftlichen Arbeit, die aufm Papier steht nicht drinnen sein können. Das finde ich daran sehr spannend.
P: Ja, da habe ich immer Probleme mit der sogenannten Wissenschaft, weil. Erstens das, das die Wissenschaft natürlich etwas sehr wichtiges ist, weil sie, glaube ich, aus den sich wiederholenden Beispielen gewisse Gesetzmäßigkeiten erkennt. Aber wie das z. B. bei ‘Himmel und Erde’ und deinem wissenschaftlichen, sozusagen wissenschaftlichen Ansinnen ist,... Es gibt ja z. B. keine Arbeit die sozusagen Film in gewisser Hinsicht z.B. als Medium. ... Nein, das muß man anders sagen. Ich kenne keine Analysen oder Arbeiten, die den Film als Gegenstand wählen und versuchen herauszuschälen, wie der Film eigentlich sozusagen menschheitsgeschichtlich da ist. Wieso der Film in einer ganz bestimmten Epoche, in einer ganz bestimmten Kultur, entstanden ist, die Fotografie und der Film. Was da vor allem psychisch, das ist das Einzige, was interessant ist in meinen Augen, weil die Dinge und die Verhältnisse der Dinge und die Verhältnisse der Menschen zu den Dingen und die Verhältnisse der Menschen unter den Menschen ist letztlich eine Sache, die nur mit dem Gefühl zu tun hat. Es geht um überhaupt nichts anderes. Zwar können wir darüber nur handeln, in dem wir mit den Dingen oder mit den Handlungen handeln, ja, nicht mit ... wir können auch, ewig können wir reden, das ist auch eine Handlung. Worte und Sprache ist ja genau das Selbe. Nur ist dieser materielle Aspekt bei ‘Himmel und Erde’ ... Der Prof. Koren in Graz, der Landtagspräsident, ein Volkskundler, ja, du kennst ihn, der ist [natürlich] total ausgeflippt, als er im Film den Kratzer mit seiner Egge arbeiten gesehen hat, die er sofort als eine Seckauer Egge erkannt hat. Der ist total ausgeflippt ...
S: ja, das interessiert mich nicht so ...
P: Das habe ich [also] in diesem Film runtergeräumt auf Null. Weil am Schluß des 2.Teils, ja, da steht ein Volkskundler total daneben, weil da gibt es nichts mehr davon. Da gibt es nur mehr Bilder und völlige Irritationen, vor allem da, wo der Text von Jerzy Lem [Stanislaw?] hinein kommt, bei diesem Rundschwenk über den Hof, wo vom Licht und von der Chiffre geredet wird und von der Rose – spätestens da, setzt das normale Verständnis aus. Aber trotzdem halte ich es auch selber für eine Angelegenheit, die aber eben auf eine ganz andere Weise, die ... ich kann es selber nicht sagen. Da hast du recht, man braucht gewisse Strukturen, um den Verhältnissen sich annähern zu können, sonst geht es nicht.
S: Hätte ich eine traditionelle volkskundliche Arbeit schreiben wollen, dann hätte ich eine über Stinatz geschrieben, eine dorfmonographische Forschung gemacht, mit einem empirischen Teil. Aber gerade das wollte ich nicht schreiben, daß hat mich auch noch nie so sehr interessiert an diesem Fach. Das wird vermutlich eine Arbeit, die über den üblich volkskundlichen Rahmen hinausgeht. Ich muß nur jetzt erstmal feststellen, wie das meinem Prof gefällt. Aber ich nehme an, daß es da keine Schwierigkeiten geben wird.
P: Widerstände gibt es immer im Leben. (lacht)
S: Ja, das ist klar. (lacht)
P: Und vernebelt ist auch oft alles und die Sonne scheint eher selten.
S: Naja, wir können ja mal Schluß machen. Ich komme ja wieder. In Wien ist [es] eh so schön...
© Marijana Stoisits